Leitsatz (amtlich)
In Sorgerechtssachen kann das Gericht einem Sachverständigen wegen seiner besonderen Sachkunde die Entscheidung der Frage überlassen, welche Bezugspersonen des Kindes er in die Begutachtung einbezieht. Ein Sachverständiger, der aufgrund eigener Sachkunde Anknüpfungstatsachen im vermuteten Einverständnis des Gerichts erhebt, setzt sich dem Vorwurf der Befangenheit nicht aus, wenn er die Beteiligten davon nicht unterrichtet.
Normenkette
ZPO § 406
Verfahrensgang
AG Freudenstadt (Aktenzeichen 3 F 551/01) |
Tenor
Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG – FamG – F. vom 3.5.2002 wird abgewiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG – FamG – F. vom 3.6.2002, mit dem das FamG den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, wäre zulässig. Das beabsichtigte Rechtsmittel ist allerdings ohne Aussicht auf Erfolg. Das FamG hat den Ablehnungsantrag der Antragsgegnerin i.E. zu Recht zurückgewiesen.
Nach § 406 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen wie ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
Abs. 2 des § 406 ZPO unterwirft das Ablehnungsrecht einer Frist, die im vorliegenden Fall keine Rolle spielt, weil die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Anhaltspunkte für Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen sich erst nach Vorlage des schriftlichen Sachverständigengutachtens ergeben hat und deshalb vorher auch nicht vorgetragen werden konnte. Nach Abs. 2 S. 2 dieser Vorschrift kann die Besorgnis der Befangenheit zu einem späteren Zeitpunkt nur geltend gemacht werden, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie ohne Verschulden gehindert war, den Ablehnungsgrund früher vorzutragen.
Es kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin ihr Ablehnungsgesuch, wie das FamG meint, verspätet angebracht hat. Denn die Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ist inhaltlich unbegründet. Es besteht keine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen.
Die Antragsgegnerin beanstandet im Kern, dass der Sachverständige eigenmächtig und ohne Beachtung des Prinzips der Parteiöffentlichkeit Anknüpfungstatsachen für sein Gutachten erhoben hat und dass sie über die Erhebung dieser Anknüpfungstatsachen erst aus dem schriftlichen Sachverständigengutachten erfahren hat.
Richtig ist, dass die Feststellung des Sachverhalts, also der Tatsachen, die der Sachverständige seinem Gutachten zugrunde legen soll, Aufgabe des Gerichts ist und dem Unmittelbarkeitsgrundsatz unterliegt. Eine Ausnahme gilt aber immer dann, wenn dem Gericht auch die erforderliche Sachkunde für die Entscheidung der Frage fehlt, welche Tatsachen für die Begutachtung erheblich und deshalb zu erheben sind. In diesen Fällen kann es dem Sachverständigen überlassen bleiben, die notwendige Auswahl zu treffen und die Anknüpfungstatsachen auch selbst zu erheben. Die Frage, wieweit den Beteiligten Gelegenheit zu geben ist, bei der Feststellung solcher Tatsachen durch den Sachverständigen anstelle des Gerichts anwesend zu sein, ist je nach Fallgestaltung zu beantworten.
In Sorgerechtsverfahren, in denen das Gericht sich zur Klärung der Frage nach dem, was das Kindeswohl an Entscheidungen erfordert, des Rates eines Sachverständigen bedient, entspricht es der Regel, dass dem Sachverständigen die Entscheidung der Frage überlassen bleibt, in welchem Umfang der Sachverhalt aufgeklärt wird, insb. ob und in welchem Umfang der Frage der Bedeutung von Bezugspersonen für das Kind nachgegangen wird. Es entspricht den Regeln der Kunst, dass der Sachverständige in eine solche erweiterte Sachverhaltsfeststellung diejenigen Personen einbezieht, die Bezugspersonen für das Kind sind oder als solche in Frage kommen und deren Beziehungsqualität für die Empfehlung des Sachverständigen Gewicht hat. Die Auswahl des betreffenden Personenkreises trifft der Sachverständige auf der Grundlage eigener Fachkunde.
Das Prinzip der Unmittelbarkeit der mündlichen Verhandlung und der Parteiöffentlichkeit gilt für die Feststellung solcher Anknüpfungstatsachen nur eingeschränkt und nur in dem Maße, als es die Zuverlässigkeit des Feststellungsergebnisses nicht gefährdet. Für die Anhörung von Bezugspersonen eines Kindes in sorgerechtlichen Gutachten gilt allgemein, dass solche Personen immer auch allein mit dem Gutachter und durchaus nicht immer nur in Gegenwart des anderen Elternteils befragt werden. Denn die Anwesenheit des anderen Elternteils bei der Befragung von Eltern oder beider Eltern bei der Befragung dritter Bezugspersonen birgt die Gefahr einer Verfälschung des für den Gutachter entscheidenden Eindrucks.
Im vorliegenden Fall hat der Gutachter gegen keines dieser Prinzipien verstoßen. Sein Vorgehen begegnet keinerlei Beanstandung.
Das Recht der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör ist hinreichend dadurch gewahrt, dass sie durch die Übermittlung des schriftlichen Gutachtens von dem Umfang der Tatsachenerhebung u...