Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung von Rechtsanwaltsgebühren im Scheidungsverbund
Leitsatz (amtlich)
Wird nach Abtrennung einer Folgesache im Sinne von § 137 Abs. 2 FamFG über Teile des Verbunds entschieden, führt dies gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG zur Teilfälligkeit der Gebühren, die hinsichtlich der entschiedenen Gegenstände angefallen wären, wenn nur diese rechtshängig gewesen wären. Jedoch ist für diese Gebühren die Verjährungsfrist nach § 8 Abs. 2 RVG gehemmt, bis das Verbundverfahren endgültig abgeschlossen ist.
Normenkette
FamFG § 137 Abs. 5 S. 1; RVG § 8 Abs. 1 S. 2 Abs. 2, S. 2, § 16 Nr. 4
Verfahrensgang
AG Esslingen (Beschluss vom 28.03.2018; Aktenzeichen 2 F 1318/07) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin werden der Beschluss der Richterin des Amtsgerichts Esslingen - Familiengericht - vom 22.02.2018 (Az. 2 F 1318/07) und der Beschluss der Kostenbeamtin des Amtsgerichts Esslingen - Familiengericht - vom 15.10.2015 (Az. jeweils 2 F 1318/07) dahingehend abgeändert, dass der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aus der Staatskasse über den festgesetzten Betrag in Höhe von 287,98 EUR hinaus ein weiterer Betrag in Höhe von von 1.364,34 EUR zu vergüten ist. Im Übrigen wird der Festsetzungsantrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zurückgewiesen.
2. Im Übrigen werden die Beschwerde und die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zurückgewiesen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. In dem am 26.04.2006 bei dem Amtsgericht Esslingen - Familiengericht - eingeleiteten Scheidungsverfahren haben die Beteiligten am 17.11.2011 einen Vergleich über den Zugewinnausgleich geschlossen. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat das Amtsgericht die Folgesache nachehelicher Unterhalt aus dem Scheidungsverbund abgetrennt, die Scheidung ausgesprochen, über den Versorgungsausgleich entschieden und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. Am 26.03.2013 haben sich die Parteien auch über den nachehelichen Unterhalt verglichen.
Der Gegenstandswert wurde wie folgt festgesetzt:
Ehesache |
9.450,00 EUR |
Versorgungsausgleich |
1.890,00 EUR |
Zugewinnausgleich |
25.548,00 EUR |
nachehelicher Unterhalt |
9.600,00 EUR |
Mit ihren am 13.08.2015 und 14.08.2015 eingegangenen Anträgen hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin, der Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt war, Festsetzung ihrer Vergütung gemäß § 55 RVG wie folgt beantragt:
Für den nicht abgetrennten Verbund
Verfahrensgebühr VV Nr. 3100 Wert 36.888 EUR |
508,30 EUR |
Terminsgebühr VV Nr. 3104 aus Wert 36.888 EUR |
469,20 EUR |
Einigungsgebühr VV Nr. 1003 aus Wert 25.548 EUR |
354,00 EUR |
Pauschale VV Nr. 7002 |
20,00 EUR |
Summe netto |
1.351,50 EUR |
19% Mwst VV Nr. 7008 |
256,79 EUR |
Summe brutto |
1.608,29 EUR |
und für die abgetrennte Folgesache nachehelicher Unterhalt
Verfahrensgebühr VV Nr. 3100 Wert 9.600 EUR |
314,60 EUR |
Terminsgebühr VV Nr. 3104 aus Wert 9.600 EUR |
290,40 EUR |
Einigungsgebühr VV Nr. 1003 aus Wert 9.600 EUR |
242,00 EUR |
Pauschale VV Nr. 7002 |
20,00 EUR |
Summe netto |
867,00 EUR |
19% Mwst VV Nr. 7008 |
164,73 EUR |
Summe brutto |
1.031,73 EUR |
Die Vertreterin der Staatskasse hat mit Einwilligung der Präsidentin des Landgerichts Stuttgart - abgesehen von einer Einigungsgebühr aus einem Gegenstandswert von 9.600 EUR - die Einrede der Verjährung erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die verjährten Gebühren seien gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG mit Beendigung des Rechtszugs, also mit der Entscheidung vom 17.11.2011 fällig geworden, die dreijährige Verjährungsfrist sei daher mit dem 31.12.2014 abgelaufen.
Mit Beschluss vom 15.10.2015 hat die hat die Kostenbeamtin, die sich der Rechtsauffassung der Vertreterin der Staatskasse angeschlossen hat, die Verfahrenskostenhilfevergütung auf 287,98 EUR festgesetzt. Die von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen diese Entscheidung eingelegte Erinnerung wurde durch Beschluss der Familienrichterin des Amtsgerichts Esslingen vom 22.02.2018 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit Telefax vom 14.03.2018 eingelegte Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, welcher der Beschluss vom 22.02.2018 am 28.02.2018 zugestellt worden war.
II. Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat in der Sache überwiegend Erfolg.
Gemäß § 111 Abs. 5 FGG-RG sind auf das Verfahren die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.
Die von der Staatskasse erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch.
Durch die Abtrennung der Folgesache nachehelicher Unterhalt mit Beschluss des Amtsgerichts vom 17.11.2011 erfolgte keine Lösung aus dem Verbund, die abgetrennte Sache blieb Folgesache (§ 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG), so dass § 16 Nr. 4 RVG weiter gilt und das ganze Verfahren als eine Angelegenheit nur e...