Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung einer gegen eine Aktiengesellschaft "vertreten" durch ein namentlich benanntes Mitglied des Aufsichtsrats unter Angabe dessen Zustelladresse gerichteten Klage dahingehend, dass die Klage gegen die Aktiengesellschaft, diese vertreten durch den Aufsichtsrat als Gesamtorgan, erhoben ist, verbunden mit der Erklärung, dass die Klage an das benannte Aufsichtsratsmitglied unter der angegebenen Zustelladresse zugestellt werden soll.
2. Zu Umfang und Grenzen eines nach § 283 ZPO gewährten Schriftsatzrechts sowie zur Pflicht des Gerichts zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach Eingang eines nachgelassenen Schriftsatzes, um der gegnerischen Partei rechtliches Gehör zu einem von dem Schriftsatzrecht gedeckten Vorbringen zu gewähren.
3. Zum Nachschieben von nach § 84 Abs. 3 AktG erforderlichen wichtigen Gründen für die Abberufung des Vorstands einer Aktiengesellschaft im Prozess.
4. Die bewusste Nichtbedienung der fälligen Rate eines der Aktiengesellschaft ausgereichten Darlehens kann einen wichtigen Grund zur Abberufung des Vorstands i.S.v. § 84 Abs. 3 AktG bilden. Entsprechendes gilt für den Abschluss eines die Aktiengesellschaft bindenden Prozessvergleichs durch den Vorstand unter Verstoß gegen die sich für ihn aus § 111 Abs. 4 S. 2 AktG ergebende Bindung.
Normenkette
AktG §§ 112, 84 Abs. 3, § 111 Abs. 4 S. 2; ZPO § 156 Abs. 1, § 296
Verfahrensgang
LG Rottweil (Urteil vom 14.09.2012; Aktenzeichen 5 O 45/12 KfH) |
Tenor
1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Rottweil vom 14.9.2012 - 5 O 45/12 KfH - gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und ggf. auch zur Zurücknahme der Berufung bis 24.6.2013.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 10.000 EUR.
Gründe
Die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO) sind erfüllt.
A. Der am 6.10.2010 zum Mitglied des Vorstands der Beklagten bestellte Kläger (Anlage K 2) wendet sich gegen seine Abberufung aus wichtigem Grund durch Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten vom 2.4.2012 (Anlage K 1). Der Kläger bringt vor, wichtige Gründe für die Abberufung hätten nicht vorgelegen.
Die Beklagte hat in erster Instanz die Zulässigkeit der Klage gerügt, weil auf ihrer Seite ein Vertretungsmangel vorliege und zudem die erhobene Gestaltungsklage unstatthaft sei.
Sie hat sich zur Rechtfertigung der Abberufung aus wichtigem Grund auf den als solchen unstreitigen Umstand gestützt, dass der Kläger das als Anlage B 3 vorgelegte Schreiben vom 22.12.2011 an den Darlehensgeber (vgl. den als Anlage B 2 vorgelegten Kreditvertrag vom 1.4.2002) und Hauptaktionär der Beklagten Y. Inc. versandte, in dem der Kläger ankündigte, die nächstfällige Darlehensrate werde nicht bis zum Ende des Jahres 2011, sondern allenfalls erst im März 2012 bedient. Außerdem hat die Beklagte dem Kläger die nicht fristgerechte Bedienung der Rate zum Jahresende 2011 als solche vorgeworfen und vorgebracht, der Kläger sei für die Bereitstellung der dazu erforderlichen Liquidität verantwortlich gewesen. Im Zusammenhang mit diesem Gesellschafterdarlehen habe der Kläger seine Kompetenzen im Innen- wie im Außenverhältnis bewusst überschritten und dadurch die Beklagte geschädigt sowie existenziell gefährdet.
Ferner hat die Beklagte als wichtigen Grund für die Abberufung angeführt, dass der Kläger - unstreitig - im Dezember 2011 eine Vereinbarung zur einvernehmlichen Beendigung eines Rechtsstreits schloss, den die Fa.E. & P. S. N. C. gegen die X ... GmbH & Co. KG, eine Tochtergesellschaft der Beklagten, geführt hatte; auch in diesem Verhalten des Klägers liege eine Verletzung seiner Bindungen im Innen- wie im Außenverhältnis.
Wegen der von der Beklagten geltend gemachten wichtigen Widerrufsgründe verweist der Senat i.Ü. auf die Sachdarstellung im angefochtenen Urteil.
Das LG hat die Klage für zulässig gehalten, sie in der Sache aber abgewiesen, weil ein wichtiger Grund zum Widerruf jedenfalls in der Nichtzahlung der zum Jahresende 2011 fälligen Darlehensrate liege, worin eine grobe Pflichtverletzung des Klägers zu sehen sei, die der Beklagten die Fortsetzung des Organverhältnisses unzumutbar gemacht habe. Der Senat verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Zur Sachdarstellung i.Ü. wird auf die in erster Instanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Gegen das klagabweisende Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er verteidigt das landgerichtliche Urteil zwar, soweit das LG Zulässigkeitsmängel nicht für gegeben erachtet hat, bekämpft jedoch die sachliche Klagabweisung.
Das LG habe gegen Verfahrensrecht verstoßen, indem es seiner Entscheidung das Vorbringen der Beklagten zugrunde gelegt habe, es stelle eine Pflichtverletzung des Klägers dar, dass er die zum Jahresende 2011 fällige Tilgungsrate nicht bedient und es versäumt habe, für ausreichende Liquidität zu sorgen. Zudem liege...