Leitsatz (amtlich)
Die Weisung zum Erwerb einer in Deutschland zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr berechtigenden Fahrerlaubnis ist im Rahmen von § 56c StGB zulässig und in geeigneten Fällen auch geboten, um die Lebensführung Verurteilter spezialpräventiv zu beeinflussen. Sie ist jedoch unzumutbar i.S.v. § 56c Abs. 1 S. 2 StGB, sofern zu ihrer Erfüllung der vorherige Verzicht auf eine bestehende, in Deutschland aber ungültige EU-Fahrerlaubnis notwendig ist.
Verfahrensgang
StA Hechingen (Aktenzeichen 1 VRs 15 Js 37/05) |
StA Hechingen (Aktenzeichen 3 VRs 12 Js 4847/03) |
LG Tübingen (Aktenzeichen 2336/07) |
LG Tübingen (Aktenzeichen 12 StVK 2335) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Tübingen vom 01. Juni 2012
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht Tübingen
|
z u r ü c k v e r w i e s e n . |
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Amtsgerichts vom 01. September 2003 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen Beleidigung in zwei Fällen und wegen Sachbeschädigung in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Ferner ist der Beschwerdeführer durch Urteil des Amtsgerichts vom 22. März 2005 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen und wegen Beleidigung, unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts vom 19. Januar 2005, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, zumal die abgeurteilten Taten während des Laufes der vorgenannten Bewährungszeit begangen worden waren.
Aufgrund letztgenannter Verurteilung hat sodann das Amtsgericht die im Jahre 2003 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.
Infolgedessen hat der Beschwerdeführer am 10. Oktober 2005 die Strafhaft angetreten.
Während eines Freigangs am 04. Juni 2006 hat er erneut ohne Fahrerlaubnis am Straßenverkehr teilgenommen und ist diesbezüglich mit Urteil des Amtsgerichts
vom 06. Oktober 2006 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Diese Strafe hat der Beschwerdeführer nachfolgend vollständig verbüßt.
Nach Teilverbüßung hinsichtlich der anderen beiden Straferkenntnisse hat das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Tübingen mit Beschluss vom 06. Juli 2007 die Vollstreckung der Strafreste gem. § 57 Abs. 1 StGB, bei einer Bewährungszeit von zunächst drei Jahren, zur Bewährung ausgesetzt und dem Verurteilten dabei folgende Auflagen und Weisungen erteilt:
"1.
Der Verurteilte hat sich nach seiner Haftentlassung wieder an seinen früheren Wohnsitz , zurückzubegeben, wieder dort seinen Wohnsitz zu nehmen und diesen polizeilich anzumelden.
2.
Der Verurteilte hat dem Landgericht Tübingen, Strafvollstreckungskammer, unter Angabe des Aktenzeichens jeden Wohnsitzwechsel während der Bewährungszeit unverzüglich, unaufgefordert und schriftlich mitzuteilen.
3.
Der Verurteilte wird angewiesen, - sofern dies von der Fahrerlaubnisbehörde für erforderlich erachtet wird: Nach Durchführung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung - wieder eine deutsche Fahrerlaubnis zu erwerben.
Er hat die Durchführung der medizinisch-psychologischen Untersuchung und deren Ergebnis, sowie den Erwerb der Fahrerlaubnis jeweils nach Abschluss bzw. Bestehen unverzüglich und schriftlich dem Landgericht Tübingen zum vorgenannten Aktenzeichen mitzuteilen und durch Vorlage entsprechender Nachweise zu belegen.
4.
Der Verurteilte wird für die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshelfers unterstellt, mit dem er vertrauensvoll zusammenzuarbeiten hat."
Daraufhin ist der Verurteilte nach mündlicher Belehrung am 10. Juli 2007 aus der Haft entlassen worden.
Am 27. März 2009 hat der Verurteilte erneut mit einem führerscheinpflichtigen Fahrzeug am Straßenverkehr teilgenommen und in diesem Zusammenhang erstmalig auf das Bestehen einer am 19. August 2005 erteilten tschechischen Fahrerlaubnis hingewiesen. Das diesbezügliche Verfahren wurde nach Anklageerhebung, mit Beschluss des Amtsgerichts vom 10. November 2009, gem.
§ 153a StPO eingestellt.
Im Hinblick auf diese neuerliche Tat und die Untätigkeit des Verurteilten bezüglich der ihm erteilten Weisung zum Erwerb einer deutschen Fahrerlaubnis hat das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Tübingen mit Beschluss vom 27. Januar 2010 die Bewährungszeit um zwei Jahre auf insgesamt fünf Jahre bis zum 09. Juli 2012 verlängert.
Am 29. März 2011 ist der Verurteilte jedoch erneut straffällig und diesbezüglich durch Urteil des Amtsgerichts vom 31. Oktober 2011 wegen vorsätzlichen Fahrens o...