Leitsatz (amtlich)
1. Die Präsentation von Referenzobjekten bei der Vergabe von Planungsleistungen berührt nicht nur die fachliche Eignung des Bewerbers, sondern auch die Qualität der erwarteten Leistung und darf deshalb auch solchen Bewerbern abverlangt werden, die ihre fachliche Eignung bereits nachgewiesen haben.
2. Der öffentliche Auftraggeber darf aber nicht erst nach Bewerbungsschluss erstmalig die Präsentation von Referenzobjekten verlangen.
3. Hat der öffentliche Auftraggeber in der zweiten Stufe des Vergabeverfahrens angekündigt, dass die verbleibenden Angebote unter anderem anhand des Auftragskriteriums „Honorar/Preis” bewertet werden, darf er dieses Kriterium nicht nachträglich streichen. Dies gilt auch dann, wenn sich das Honorar nach der HOAI richtet.
Normenkette
VOF § 16; DKR Art. 36
Verfahrensgang
Vergabekammer Baden-Württemberg (Aktenzeichen 1 VK 38/02) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Vergabekammer vom 2.8.2002 – 1 VK 38/02 – geändert: Die Vergabestelle wird verpflichtet, die Generalplanerleistungen für den Neubau des Hallenbades in S. unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senates unter den mit Schreiben vom 3.5.2002 ausgewählten Bietern neu auszuschreiben und die entspr. eingeholten Angebote dieser Bieter auch unter Berücksichtigung des Kriteriums Preis auf der Grundlage der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) neu zu werten.
2. Die weiter gehende sofortige Beschwerde wird unter gleichzeitiger Abweisung des weiter gehenden Antrages zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die vor der Vergabekammer erwachsenen Gebühren und Auslagen werden gegeneinander aufgehoben.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Beschwerdewert: bis 65.000 Euro
Gründe
I. Das zulässige Rechtsmittel des Antragstellers ist zum Teil begründet.
A. Die Antragsgegnerin beabsichtigt durch ihren Eigenbetrieb, die Stadtwerke S., ein neues Hallenbad zu errichten. Mit Veröffentlichung vom 26.1.2001 (Vergabekammerakte [VKA] ASt 1) gab sie die Vergabe von Generalplanleistungen (Planungs- und Ingenieurleistungen [Objektplanung nach § 15 HOAI, Tragwerksplanung gem. § 64 HOAI sowie Fachingenieurleistungen der Technischen Ausrüstung nach § 73 HOAI] bei einer Bausumme von 10 Mio. Euro) im Wert von ca. 1 Mio. Euro bekannt. Nr. 12 dieser Bekanntgabe führte u.a. an, dass Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach § 12 VOF und der fachlichen Eignung nach § 13 Abs. 1, 2 VOF zu erbringen seien. Der Antragsteller bewarb sich durch Schreiben vom 4.3.2002 (VKA ASt 2), in welchem er seine Generalplanertätigkeit in den letzten 5 Jahren nachwies, Referenzen beifügte und Größe, Zuschnitt und Ausrüstung seines Büros belegte. Von 37 Wettbewerbern waren 8 Bieter in die engere Wahl gezogen worden, u.a. der Antragsteller. Diesem teilte die von der Antragsgegnerin mit der Projektsteuerung beauftragte Firma D & S GmbH denn auch mit Schreiben vom 3.5.2002 (VKA ASt 3) mit, dass er die „Präqualifikation des VOF-Verfahrens … erfolgreich absolviert” habe. Und:
„In der zweiten Stufe des VOF-Verfahrens werden die verbleibenden Bewerber anhand von folgenden Auftragskriterien bewertet:
- 1. Fachliche und soziale Kompetenz des vorgesehenen Bauleiters
- 2. Nachweis der wirtschaftlichen und termingerechten Abwicklung von Projekten
- 3. Honorar/Preis
Die Auftragskriterien werden anhand folgender Punkte bewertet:
- 1. Lebenslauf/Nachweis …
- 2. Referenzschreiben der Auftraggeber … [näher benannte Auftraggeber]
- 3. … Formblattes Honorarvorschlag … Diejenigen Leistungen, die nach einer gesetzlichen Gebühren- oder Honorarordnung vergütet werden, werden dabei nur im dort vorgeschriebenen Rahmen berücksichtigt. In der Verhandlungsrunde (hierzu erfolgt eine separate Einladung) wird verstärkt auf die Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft und das Durchsetzungsvermögen des Projektleiters geachtet sowie einige Fragen zur möglichen Projektabwicklung gestellt …”
Mit Schreiben vom 8.5.2002 reichte der Antragsteller die geforderten Unterlagen ein (VKA – ASt 4). Mit Schreiben vom 15.5.2002 (VKA – ASt 5) teilte der Projektsteuerer D & S mit, dass der Antragsteller „sich für die Präsentation im VOF-Verfahren … erfolgreich qualifiziert” habe, benannte mit dem 4.6.2002, 8.00 Uhr, den für den Antragsteller angesetzten Präsentationstermin und gab als Präsentationsgliederung u.a. an:
„1. Präsentation der Bieter Dauer: 20 min.
…
Vorstellung eines ausgeführten Projekts Badewassertechnik mit mind. 500.000 Euro anrechenbare Herstellkosten für Badewassertechnik Honorarzone III gem. HOAI …
2. Fragen Dauer: 20–30 min
* zu den eingereichten Unterlagen
* zur Präsentation”
Der Antragsteller, vertreten durch Herrn K., war nach dem Zeitplan erster Präsentator. Zu Beginn seiner Ausführungen wurde er in einem im Einzelnen streitigen Umfang durch Stadträte mit Fragen unterbrochen, welche mit dem vorgegebenen Präsentationsgegenstand nichts zu tun hatten, weil die Nachfragenden nicht...