Leitsatz (amtlich)
1. Ein Angebot von Planungsleistungen, das die Mindestsätze der HOAI unterschreitet, kann Nachverhandlungen zugänglich sein und ist deshalb nicht von vorneherein auszuschließen.
2. Ein Bieter, der anstelle der vom Auftraggeber vorgeschlagenen Honorarzone eine andere Honorarzone vorschlägt, verstößt damit nicht in jedem Fall gegen die HOAI.
3. Ist die Leistungsphase 1 (Grundlagenermittlung) ausgeschrieben, darf sie nicht mit 0 % angeboten werden, auch wenn sich der Auftraggeber die Grundlagenermittlung schon vor der Ausschreibung anderweitig beschafft hatte.
Normenkette
VOF § 16; HOAI § 73
Verfahrensgang
Vergabekammer Baden-Württemberg (Aktenzeichen 1 VK 47/02) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Vergabekammer vom 9.9.2002 geändert: Der Vergabestelle wird untersagt, die Angebote der Bieter im Rahmen der Ausschreibung der Generalplanerleistungen für den Neubau des Hallenbades S. ohne Berücksichtigung des Kriteriums Preis auf der Grundlage der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zu werten.
2. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin sowie die weiter gehende sofortige Beschwerde der Antragstellerin wie auch der weiter gehende Antrag der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die vor der Vergabekammer erwachsenen Gebühren und Auslagen werden gegeneinander aufgehoben. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Beschwerdewert: bis 65.000 Euro
Gründe
I. Die sofortigen Beschwerden sind zulässig, nur diejenige der Antragstellerin hat – zum Teil – Erfolg.
A. Zum Sachverhalt wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung der Vergabekammer verwiesen.
Die Antragstellerin, eine in einer Bietergemeinschaft zusammengeschlossene Bewerberin um die Vergabe der Generalplanungsleistung für den Neubau eines Hallenbades der Antragsgegnerin, und Letztere greifen mit wechselseitigen Rechtsmitteln die Entscheidung der Vergabekammer an.
Die Antragsgegnerin hatte das vorbezeichnete Gewerk am 26.1.2002 europaweit als Verhandlungsverfahren ausgeschrieben. Abgabetermin für die Angebote war bestimmt auf den 7.3.2002. Bis zum festgesetzten Einsendeschluss gingen 37 Teilnahmeeinträge ein, darunter derjenige der Antragstellerin und derjenige der Beigeladenen. Am 3.5.2002 teilte der für die Antragsgegnerin tätige Projektsteuerer, die Firma D. & S. Projektmanagement und bautechnische Beratung GmbH (im Folgenden kurz: Firma D & S), u.a. der Antragstellerin sowie der Beigeladenen mit, „dass Sie die Präqualifikation des VOF-Verfahrens … erfolgreich absolviert” hätten und in der zweiten Stufe die verbleibenden Bewerber anhand von folgenden Auftragskriterien bewertet würden:
- 1. fachliche und soziale Kompetenz des vorgesehenen Projektleiters
- 2. Nachweis der wirtschaftlichen und termingetreuen Abwicklung von Projekten
- 3. Honorar/Preis
Die Antragstellerin hat auf einem von der Firma D & S entworfenen Formblatt ein auf 1.121.738,46 Euro lautendes Angebot abgegeben und war damit insoweit zweitplatzierte Bieterin hinter der Beigeladenen. Das Formblatt war so gestaltet, dass es u.a. die Leistungsphasen nach HOAI aufgelistet und die Rubriken: „Teilleistungspunkte” und „Honorarzone gem. HOAI” zweispaltig angelegt hatte. Bei den Teilleistungspunkten war eine Spalte mit dem Vomhundertsatz der HOAI für das jeweilige Leistungsbild vorgegeben, die entspr. andere Spalte war offen für „Bewertung Bieter”. Bei der Rubrik „Honorarzone” waren die Spalten ausgebildet als einmal – ausgefüllt – „Bewertung D & S” und einmal – noch offen – für die „Bewertung Bieter”. Dabei war die Beigeladene anders als die Antragstellerin zum Teil – wie näher darzustellen sein wird – von der Bewertung der Firma D & S in der Honorarzone und bei Teilleistungspunkten nach unten abgewichen. Am 15.5.2002 wurde den Verfahrensbeteiligten von der Firma D & S mitgeteilt, dass sie sich für die auf den 4.6.2002 angesetzte Präsentation qualifiziert hätten. Das Kriterium Preis/Honorar war in dieser Einladung nicht mehr wiederholt, aber auch nicht als einer Änderung unterliegend angeführt worden. Unstreitig ist aber, dass die Antragsgegnerin im weiteren Zuge des Vergabeverfahrens den Preis als Vergabekriterium aus der Wertung herausgenommen hat. Mit Schreiben vom 25.6.2002 ließ die Antragsgegnerin auch der Antragstellerin mitteilen, dass beabsichtigt sei, die Generalplanerleistung der Beigeladenen zu übertragen.
Dagegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag, der im Wesentlichen rügte, dass das Honorar als Kriterium fallen gelassen worden ist und dass das Angebot der Beigeladenen unzulässige Honoraransätze beinhalte.
Die Antragstellerin hat deshalb im Kern beantragt
- Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Neubewertung der Angebote auf der Grundlage der HOAI
- Ausschluss der Beigeladenen
Die Vergabekammer (Bl. 180 bis 190) sprach u.a. aus:
- 1. Die Vergabestelle wird verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer, er...