Leitsatz (amtlich)
1. Ein Transportunternehmer, der Tiertransporte mit Straßenfahrzeugen im Sinne von Art. 6 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport [...] durchführt, handelt ordnungswidrig im Sinne von § 21 Abs. 3 Nr. 10 TierSchTrV, wenn nicht jede der von ihm beauftragten Personen auf dem Straßenfahrzeug - gleich, ob Fahrer oder Betreuer - über einen Befähigungsnachweis im Sinne von Art. 17 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 verfügt und zur Kontrolle mitführt.
2. Zu den Anforderungen an die Feststellung der Unvermeidbarkeit eines Subsumtionsirrtums des Betroffenen, wenn dieser Irrtum durch einen Fachverband, dem der Betroffene angehört, geteilt wird.
Normenkette
OWiG § 11 Abs. 2; TierSchG § 2a Abs. 2 Nr. 3a; TierSchTrV § 21 Abs. 3 Nr. 10; EGV 1/2005 Art. 6 Abs. 5, Art. 17 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Crailsheim (Entscheidung vom 28.11.2011; Aktenzeichen 2 OWi 45 Js 8619/11) |
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Crailsheim vom 28. November 2011 mit den Feststellungen zum inneren Tatgeschehen
a u f g e h o b e n .
Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aufrechterhalten.
2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird
v e r w o r f e n .
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Crailsheim
z u r ü c k v e r w i e s e n .
Gründe
I. Das Amtsgericht Crailsheim hat den Betroffenen mit Urteil vom 28. November 2011 "wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der Beauftragung eines Tiertransports als Unternehmer von S. nach Italien, wobei nur einer der beiden Fahrer im Besitz des Befähigungsnachweises gem. Art. 17 Abs. 2 der EGVO 1/2005 war" zu der Geldbuße von 100 € verurteilt. Dagegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Die Rechtsbeschwerde stützt er auf die vermeintlich fehlerhafte Auslegung der angewendeten Norm der Europäischen Union, der nach seiner Auffassung Genüge getan sei, wenn auch nur eine am Transport beteiligte und vom Transportunternehmer beauftragte Person den genannten Befähigungsnachweis vorweisen könne.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zuzulassen und die zugelassene Rechtsbeschwerde sodann gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG als unbegründet zu verwerfen.
Mit Beschluss des Einzelrichters vom 21. März 2012 wurde die Rechtsbeschwerde gemäß § 80a Abs. 3 OWiG zur Fortbildung des Rechts zugelassen und die Sache dem 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II. Die Rechtsbeschwerde hat (vorläufigen) Erfolg.
Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch wegen fahrlässigen Anvertrauens des Umgangs mit Tieren einer nicht geschulten Person nicht, es unterliegt nach § 79 Abs. 6 OWiG der Aufhebung. Allerdings können die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten bleiben.
1. Das Amtsgericht hat die Rechtsvorschrift des Art. 6 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 (im folgenden: Verordnung (EG) Nr. 1/2005) richtig ausgelegt. Insoweit weist das Urteil entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine sachlich-rechtlichen Mängel auf.
Das Amtsgericht hat folgenden Sachverhalt seinem Urteil rechtsfehlerfrei zu Grunde gelegt:
Der Betroffene ist Verantwortlicher der Firma Transportunternehmen R. in A.. Am 20.01.2011 wurde der diesem Unternehmen gehörenden Tiertransporter mit dem amtlichen Kennzeichen (...) in S. einer Kontrolle unterzogen. Mit diesem Fahrzeug sollten im Auftrag des Betroffenen als Transportunternehmer Schweine von S. nach Italien transportiert werden. Bei der Kontrolle wurde festgestellt, dass nur einer der beiden Fahrer im Besitz eines Befähigungsnachweises gemäß Art. 17 Abs. 2 der EGVO 1/2005 war. Der zweite Fahrer war nicht im Besitz eines Befähigungsnachweises im Sinne dieser Vorschrift.
Nach § 21 Abs. 3 Nr. 10 der Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates (im folgenden: TierSchTrV) handelt ordnungswidrig, wer entgegen Art. 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 S. 2 oder Abs. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 eine Kopie, einen Befähigungsnachweis oder einen Zulassungsnachweis nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt. Diese Verpflichtung obliegt dem Transportunternehmer als Normadressaten des Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005.
Art. 6 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 lautet in der deutschen Fassung wie folgt:
Straßenfahrzeuge, auf denen Hausequiden, Hausrinder, Hausschafe, Hausziegen, Hausschweine oder Geflügel befördert werden, dürfen nur von Personen gefahren oder als Betreuer begleitet werden, die über einen Befähigungsnachweis gemä...