Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 28 O 3247/21) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht München I bestimmt.
Gründe
I. Die Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz aufgrund angeblich fehlerhafter Bestätigungsvermerke. Der Kläger zu 1 erwarb zwischen dem 17.08.2018 und dem 18.05.2020 100 Aktien, der Kläger zu 2 zwischen dem 06.05.2020 und dem 15.05.2020 60 Aktien und die Klägerin zu 3 am 06.05.2020 20 Aktien der XY AG, die ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts München I hat. Die Beklagte, die ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Stuttgart hat, war als verantwortliche Abschlussprüferin mit der Prüfung des Konzernabschlusses der XY AG für die Jahre 2015 bis 2018 betraut. Ihre Mitarbeiter versahen diese Abschlüsse jeweils mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk.
Mit beim Landgericht Stuttgart erhobener Klage behaupten die Kläger, die Beklagte habe die Konzernabschlüsse der XY AG für die Jahre 2015 bis 2018 ohne ordnungsgemäße Prüfung testiert, obwohl die seit 2015 bilanzierten Zahlen keine tatsächliche Grundlage gehabt hätten. Ein Großteil der Forderungen der XY AG in Höhe von rund 250 Millionen Euro sei auf angeblich bei ausländischen Drittpartnern hinterlegte Sicherheitseinbehalte entfallen, für deren Werthaltigkeit es keine nachvollziehbare Erklärung gegeben habe. Die Manipulation der Jahresabschlüsse habe nach deren Bekanntwerden zu einer negativen Wertentwicklung der Aktie geführt. Wäre die Beklagte ihren Prüfungspflichten nachgekommen und daher die Manipulation der Jahresabschlüsse früher bekanntgeworden, hätten sie keine Aktien der XY AG erworben. Ihnen sei daher wegen der fehlerhaften Testate ein Schaden entstanden.
Nach ihrer Auffassung würden ihnen Ansprüche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 HGB und aus § 826 BGB zustehen.
Durch Verfügung vom 23.11.2020 ordnete das Landgericht Stuttgart das schriftliche Vorverfahren an und wies mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15.12.2020 darauf hin, dass § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit Anwendung finden dürfte. Die Klage wurde am 30.11.2020 zugestellt. Die Kläger beantragten durch Schriftsatz vom 30.11.2020 hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht München I. Der Schriftsatz wurde am 08.12.2020 formlos an den Beklagtenvertreter übersandt. Zudem hörte das Landgericht Stuttgart die Beklagte am 18.02.2021 telefonisch zur örtlichen Zuständigkeit an. Durch Beschluss vom 01.03.2021 erklärte sich das Landgericht Stuttgart für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht München I. Zur Begründung führt es insbesondere aus, dass ein Schadensersatzanspruch wegen falscher öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemacht werde, der gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO einen ausschließlichen Gerichtsstand am Sitz der Emittentin XY AG in München begründe. Durch Beschluss vom 10.05.2021 hat sich das Landgericht München I für örtlich unzuständig erklärt und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Nach der Auffassung des Landgerichts München I ist § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht anwendbar, weil der Klage keine öffentliche Kapitalmarktinformation zugrunde liege. Die Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO sei objektiv willkürlich.
II. Das Landgericht München I ist als zuständiges Gericht zu bestimmen.
1. Das Oberlandesgericht Stuttgart ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits berufen, weil die beteiligten Gerichte zu unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken gehören und das Landgericht Stuttgart zuerst mit der Sache befasst war (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO).
2. Die beiden am Kompetenzstreit beteiligten Landgerichte, von denen nach Sachlage eines zuständig sein muss, haben sich nach Eintritt der Rechtshängigkeit jeweils durch unanfechtbare Verweisungsbeschlüsse (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO) im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO "rechtskräftig" für unzuständig erklärt. Das Landgericht Stuttgart hat das Landgericht München I für zuständig erklärt. Der Beschluss des Landgerichts München I ist sinngemäß als Rückverweisung an das Landgericht Stuttgart zu verstehen, da in den Gründen der Standpunkt vertreten wird, dieses sei ungeachtet des Verweisungsbeschlusses zuständig geblieben.
3. Zuständig ist das Landgericht München I.
a) Seine Zuständigkeit folgt aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 01.03.2021 (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Auf Grund der klaren gesetzlichen Regelung des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung entzogen (BGH, Beschluss vom 10.12.1987 - I ARZ 809/87 = BGHZ 102, 338, 340).
b) Zwar kommt einem Verweisungsbeschluss nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ausnahmsweise dann keine Bindungswirkung zu, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen de...