Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufgabe des Verfahrenspflegrs besteht primär darin, die Interessen des Kindes zu erkennen und in dem Verfahren zur Geltung zu bringen, in dem die Eltern hierzu auf Grund ihrer eigenen widerstreitenden Interessen nicht mehr in der Lage sind.

2. Diese Aufgabe erfordert i.d.R. – je nach Alter des Kindes – auch in begrenztem Umfang die Führung von Gesprächen mit den Eltern und/oder anderen Bezugs- oder Auskunftspersonen.

3. Die Notwendigkeit von Gesprächen ist eine Frage des Einzelfalls. Für die Vergütungsfähigkeit genügt eine Plausibilitätsprüfung. Dabei kann auch eine pauschalierende Begrenzung des zu vergütenden Zeitaufwands in Betracht kommen.

 

Normenkette

FGG §§ 50, 56g, 67 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Heidenheim (Aktenzeichen 3 F 279/00)

 

Gründe

1. Bald, nachdem das AG die elterliche Sorge für das gemeinsame dreijährige Kind der getrennt lebenden Eltern auf die Mutter übertragen hatte, hat der Vater beantragt, das Sorgerecht ihm Zu übertragen mit der Begründung, die Mutter sei nicht in der Lage, die erforderliche Stetigkeit in der Betreuung des Kindes zu gewährleisten. Das AG hat unverzüglich für das Kind eine berufsmäßig tätige (auch im früheren Verfahren tätig gewesene) Verfahrenspflegerin bestellt.

Nach dem Scheitern von Beratungsgesprächen beim Jugendamt und Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachten kam es zu einer Vereinbarung zwischen den Eltern über die Handhabung des väterlichen Besuchsrechts.

Die Verfahrenspflegerin hat beantragt, ihr bei einem – unstreitigen – Satz von 60 DM pro Stunde eine Entschädigung für Zeitaufwand i.H.v. 1.058 DM, zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer, zusammen 1.313 DM, zu gewähren. Der Rechtspfleger hat die Zeitvergütung und anteilige Telefonkosten um effektiv 377,30 DM gekürzt, weil diese Gespräche nicht erforderlich gewesen seien. Dagegen wendet sich die Verfahrenspflegerin mit der sofortigen Beschwerde.

2.a) Die sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin ist nach § 56g Abs. 5 S. 1 i.V.m. §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 FGG ohne Zulassung durch das AG zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstands die Wertgrenze von 300 DM (bzw. nach neuem Recht 150 Euro) übersteigt.

b) Das Rechtsmittel der Verfahrenspflegerin hat nur teilweise Erfolg.

aa) Im Ansatz teilt der Senat die überwiegend in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass die Aufgabe des Verfahrenspflegers darin besteht, die Interessen des Kindes zu erkennen und sie in dem Verfahren zur Geltung zu bringen, in dem die Eltern hierzu aufgrund ihrer eigenen widerstreitenden Interessen nicht mehr in der Lage sind. Ziel des Gesetzgebers war es, dem betroffenen Kind „einen gesetzlichen Vertreter zur Durchsetzung von tatsächlich formulierten oder auch nur zu ermittelnden Interessen und Wünschen im Verfahren zur Seite zu stellen” (BVerfG v. 7.6.2000 – 1 BvR 23/00, FamRZ 2000, 1280 [1281] = NJWE-FER 2000, 282; vgl. auch BVerfG FamRZ 1999, 85 [87]). Gegenstand der Bestellung des Verfahrenspflegers ist es dagegen grundsätzlich nicht, darüber hinaus Tatsachen zu ermitteln, Nachforschungen für die bestmögliche Entscheidung anzustellen, Hilfepläne zu erstellen, erzieherische oder therapeutische Maßnahmen zu ergreifen oder zwischen den übrigen Verfahrensbeteiligten zu vermitteln; dies bleibt Aufgabe des Gerichts und des Jugendamts (vgl. z.B. OLG Frankfurt FamRZ 1999, OLG Frankfurt v. 3.7.2001 – 2 WF 82/01, 1293; 2002, 335; KG FamRZ 2000, 1300; KGReport 2001, 383; 2001, 385; OLG Schleswig v. 28.1.2000 – 15 WF 101/99, OLGReport Schleswig 2000, 177; OLG Brandenburg FamRZ 2001, 692; 2001, 1541; 2002, 626; OLG Braunschweig FamRZ 2001, 776; OLG Dresden v. 19.12.2000 – 15 W 406/00, FamRZ 2001, 1540 [1541]; OLG Naumburg v. 19.6.2001 – 14 WF 75/01, OLGReport 2001, 559 – juris. Rspr. = OLGReport 2001, 559 (LS); OLG Rostock FamRZ 2002, 969 = JurBüro 2002, 157). Nur der für die Wahrnehmung dieser verfahrensbezogenen Aufgabe objektiv erforderliche Aufwand ist vergütungsfähig.

Aus dem Beschluss des FamG zur Verfahrenspflegerbestellung ergibt sich ebenso wenig wie aus weiteren gerichtlichen Entscheidungen, dass der Familienrichter den Aufgabenbereich des Verfahrenspflegers über den gesetzlichen Aufgabenbereich hinaus erweitert und dadurch einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. insoweit OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.11.2000, Die Justiz 2002, 411; OLG Hamm v. 19.12.2000 – 15 W 406/00, FamRZ 2001, 1540 [1541]).

bb) Andererseits ist ein Erkennen und eine Wahrnehmung der Interessen eines damals 3- bis 4-jährigen Kindes ohne Befassung mit seinem Umfeld unmöglich. Deshalb müssen – je nach Alter des Kindes – in begrenztem Umfang auch Gespräche mit dessen Bezugspersonen oder anderen Auskunftspersonen als notwendig und deshalb von der Aufgabenstellung eines Verfahrenspflegers umfasst angesehen werden mit der Folge, dass der hierfür anfallende konkrete Zeitaufwand zu vergüten ist. Zu diesem Personenkreis gehören in erster Linie die Eltern, aber je nach Lage des Falles etwa auch Großeltern, Kindergärtnerinnen bzw. Leh...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?