Leitsatz (amtlich)
Das Justizministerium Baden-Württemberg als Übermittlulngsstelle ist gem. Art 4 Abs. 1 UNUÜ 1956 nicht verpflichtet, einen Antrag an die türkische Empfangstelle weiterzuleiten, dem ein nach § 91 BSHG übergeleiteter Unterhaltsanspruch zu Grunde liegt.
Tenor
1. Der Antrag der Antragstellerin auf Abänderung des Bescheids des Antragsgegners vom 14.4.2003 (Az.: E-9311.2003/1) wird zurückgewiesen.
2. Geschäftswert: 7.445,18 Euro
Gründe
1. Der Antrag ist gem. § 23 Abs. 1 EGGVG zulässig, da die Ablehnung des Antragsgegners, das Gesuch der Antragstellerin an die türkische Empfangsstelle gem. dem UN-Übereinkommen vom 20.6.1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (UNUÜ 1956) weiterzuleiten, einen Justizverwaltungsakt darstellt (vgl. Mecke in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- u. Handelssachen, Loseblattsammlung, Stand Januar 2003, Bd. III Nr. 794, Anm. 61; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, EGGVG, GVG, 61. Aufl., § 23 Rz. 3 – Unterhaltssachen, sowie § 168 Anhang II, Art. 4 Rz. 1; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., IZPR Nr. 3c Art. 4 Rz. 1).
Der Antrag ist gem. § 26 EGGVG auch form- und fristgerecht gestellt worden.
2. Der Antrag ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt, denn der Antragsgegner hat die Weiterleitung des Gesuchs zu Recht abgelehnt.
a) Der Antragsgegner ist gem. Art. 4 Abs. 1 UNUÜ 1956 grundsätzlich verpflichtet, die Gesuche weiterzuleiten. Er ist aber nach der gleichen Vorschrift berechtigt, Gesuche um Weiterleitung abzulehnen, wenn er von deren Mutwilligkeit überzeugt ist. Dieser Möglichkeit liegen ähnliche Gedanken zugrunde wie in § 114 ZPO bei Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (vgl. Mecke in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- u. Handelssachen, Loseblattsammlung, Stand Januar 2003, Bd. III, Nr. 794 Anm. 61).
Vorliegend ist Mutwilligkeit anzunehmen, weil die Antragstellerin einen nach § 91 BSHG übergeleiteten Unterhaltsanspruch geltend macht. Diese Mutwilligkeit folgt daraus, dass ein Erstattungsanspruch, den wie hier ein Träger der Sozialhilfe nach §§ 90, 91 BSHG geltend machen kann, nach den Erörterungen auf der Staatenkonferenz nicht als Unterhaltsanspruch anzusehen ist (vgl. Mecke in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- u. Handelssachen, Loseblattsammlung, Stand Januar 2003, Bd. III, Nr. 794 Anm. 33 unter Bezugnahme auf das Protokoll über die 8. Sitzung – E/Conf. 21/SR. 8 S. 8/9). Damit hat der Antragsgegner keine ihm nicht zustehende Schlüssigkeitsprüfung des Gesuchs der Antragstellerin vorgenommen (vgl. Mecke in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- u. Handelssachen, Loseblattsammlung, Stand Januar 2003, Bd. III, Nr. 794 Anm. 37; Staudinger/Kropholler, Bearbeitung 2003, EGBGB, Anh. III zu Art. 18 Rz. 239, 253), sondern die Weiterleitung deshalb versagt, weil der Anwendungsbereich des UNUÜ 1956 bereits nicht eröffnet ist. Das Übereinkommen kam vor dem Hintergrund der Ereignisse und Nachwirkungen des 2. Weltkriegs zustande, um der stark angestiegenen Zahl der von ihren Eltern getrennten und dadurch in Not geratenen Kindern sowie der von ihren Männern getrennten und dadurch in Not geratenen Frauen zu helfen, ihre Unterhaltsansprüche, die ihnen nach allen Rechtsordnungen zustehen, gegen im Ausland lebende Unterhaltspflichtige durchzusetzen (vgl. Lansky, Neue Wege zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, FamRZ 1959, 193). Auch daraus lässt sich ableiten, dass das Abkommen nur Privatpersonen, nicht aber öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung stehen soll.
b) Die Antragstellerin genießt auch keinen Vertrauensschutz wegen der Stellungnahme des AG Pforzheim vom 8.10.2001 und der Auskunft des Vizekonsulats der Bundesrepublik Deutschland in der Türkei vom 7.7.2000. Das AG ist gem. Art. 3 Abs. 1 des (deutschen) Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20.6.1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 26.2.1959 lediglich eine Stelle, bei welcher der Berechtigte sein Gesuch einreichen kann, damit er nicht gezwungen ist, sich unmittelbar an die Übermittlungsstelle zu wenden (vgl. Mecke in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- u. Handelssachen, Loseblattsammlung, Stand Januar 2003, Bd. III, Nr. 794 Anm. 114). Das AG ist also keine weitere Übermittlungsstelle, sondern lediglich „der verlängerte Arm” der Landesjustizverwaltung (Staudinger/Kropholler, Bearbeitung 2003, EGBGB, Anh. III zu Art 18 Rz. 245). Die Aufgaben der Übermittlungsstelle nimmt gem. Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20.6.1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 26.2.1959 i.V.m. der Verordnung der Landesregierung vom 27.4.1959 (Ges. Bl. S. 50) allein das Justizministerium Baden-Württemberg wahr. Daher konnten weder das AG noch das Vizekonsulat als unzuständige Stellen Entscheidungen in der Sache treffen.
3. Eine Vorla...