Leitsatz (amtlich)
Ein gemeinschaftliches Testament, in welchem die Erbfolge bei gleichzeitigem Versterben geregelt ist, kann dahin auszulegen sein, daß es auch gelten soll, wenn die Ehegatten kurz nacheinander sterben. Dann sind die eingesetzten Erben Nacherben des Erststerbenden und unmittelbare Erben des Überlebenden.
Normenkette
BGB §§ 2084, 133
Verfahrensgang
LG Hechingen (Beschluss vom 19.08.1992; Aktenzeichen 4 T 39/92) |
Tenor
1. Die weitere Beschwerde des Beteiligten 4 gegen den Beschluß des Landgerichts Hechingen vom 19.08.1992 wird
zurückgewiesen,
soweit das Landgericht den Beschluß des Notariats – Nachlaßgerichts – Hechingen vom 19.11.1991 aufgehoben hat.
2. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten 4 wird der Beschluß des Landgerichts Hechingen vom 19.08.1992 dahin ergänzt, daß die Sache zur anderweiten Entscheidung an das Nachlaßgericht zurückverwiesen wird.
3. Die Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen selbst.
Wert der weiteren Beschwerde: |
50.000,00 DM |
Wert der Zurückweisung: |
3.000,00 DM |
Gründe
Am 05.06.1990 gegen 5.30 Uhr verstarb die 86-jährige Erblasserin … eines natürlichen Todes. Ihr fast 83-jähriger Ehemann war wenige Tage zuvor mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert worden. Dort erfuhr er noch am 05.06.1990 gegen 17.00 Uhr vom Tod seiner Frau und nahm dies bei vollem Bewußtsein zur Kenntnis. Am 06.06.1990 gegen 7.00 Uhr verstarb auch er.
Die beiden Erblasser haben sich durch privatschriftliches gemeinschaftliches Testament vom 10.01.1977 gegenseitig zu Erben eingesetzt und bestimmt, daß der Letztlebende über ihren Nachlaß frei nach seinem Ermessen verfügen soll. In ihrer ebenfalls privatschriftlichen Verfügung vom 31.03.1977 heißt es einleitend: „Es ist unser freier, ernster und wohl überlegter Wille, ein gemeinsames Testament hiermit zu errichten, für den Fall, daß wir beide gleichzeitig sterben.” In diesem Testament sind ein vorverstorbener Bruder der Ehefrau und von dessen Abkömmlingen die Beteiligten 1, 3 bis 5 zu verschiedenen Prozentsätzen, zusammen 65 %, und die Beteiligten 6 bis 9 als Verwandte des Ehemannes zu insgesamt 35 % zu Erben eingesetzt. Außerdem ist bestimmt, daß das Einfamilienhaus, falls es einer der Söhne des Bruders der Ehefrau übernehmen will, zum geschätzten Zeitwert zu berechnen ist. Die Erblasserin hat zudem in einem einseitigen Testament vom 13.09.1984 den Beteiligten 4 zum Erben ihres Anteils am gemeinsamen Haus- und Grundbesitz bestimmt, dabei jedoch festgestellt, daß dieser letzte Wille nicht gelten solle, solange ihr Ehemann lebe.
Die Beteiligten 6 bis 9 haben beantragt, 2 Erbscheine zu erteilen, die den überlebenden Ehemann als Alleinerben seiner Ehefrau und sie als die gesetzlichen Erben des Ehemannes ausweisen. Über diese Anträge ist noch nicht entschieden.
Auf Antrag des Beteiligten 4 hat das Nachlaßgericht mit Vorbescheid vom 19.11.1991 angekündigt, daß es Erbscheine erteilen wird, nach welchen jeder der Erblasser von den im Testament vom 31.03.1977 eingesetzten Erben und anstelle des vorverstorbenen Bruders der Ehefrau von dessen Abkömmlingen, den Beteiligten 1 bis 5, beerbt worden ist.
Diesen Vorbescheid hat das Landgericht auf Beschwerde der Beteiligten 6 bis 9 mit Beschluß vom 19.08.1992 aufgehoben.
Gegen den Beschluß des Landgerichts hat der Beteiligte 4 weitere Beschwerde eingelegt. Diese ist zulässig und teilweise begründet, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Gesetzesverletzung beruht und sich nur zum Teil aus anderen Gründen als richtig erweist (§§ 27, 29 FGG, 550 ff. ZPO).
Das Landgericht hat angenommen, daß die im Testament vom 31.03.1977 bestimmte Erbfolge nicht eingetreten sei, weil ein Fall gleichzeitigen Versterbens i. S. des gemeinschaftlichen Testaments vom 31.03.1977 nicht vorliege. Es ist davon ausgegangen, daß der Begriff „gleichzeitig” grundsätzlich nicht so ausgelegt werden könne, daß das Testament auch gelten solle, wenn die Eheleute nacheinander sterben. Denn der Begriff gleichzeitig sei im allgemeinen keiner Auslegung zugänglich. Nur wenn sich aus dem Testament selber oder sonst völlig eindeutig ergeben sollte, daß die Erblasser mit den Worten „gleichzeitig sterben” auch noch ein zeitlich deutlich auseinanderliegendes Nacheinandersterben mit umfaßt wissen wollten, habe die Rechtsprechung diesem Willen Rechnung getragen. Anhaltspunkte dafür lägen aber hier nicht vor. Ohne solche Anhaltspunkte käme eine erweiternde Auslegung im Sinne von „Nacheinandersterben” nur in Betracht, wenn außer einem engen zeitlichen Zusammenhang – wie hier – und fehlender Testierfähigkeit des Überlebenden – die in Anbetracht seiner Erkrankung und inneren Erregung vielleicht auch angenommen werden könnte – der Tod beider Ehegatten durch das gleiche Ereignis, etwa durch einen Verkehrsunfall, in Gang gesetzt worden sei. An diesem wichtigsten Kriterium für eine ergänzende Auslegung fehle es hier.
Die Meinung des Landgerichts, daß der Begriff „gleichzeitig” im allgemeinen und damit unter den hier gegebenen Vorausse...