Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarter Zahlungsanspruch noch kein verwertbares Vermögen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein vereinbarter Zahlungsanspruch ist in der Regel vor der tatsächlichen Zahlung nicht als wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse anzusehen.
2. Von einem zugeflossenen Vermögen sind nur der in § 115 I S. 3 ZPO aufgeführte Lebensbedarf abzusetzen, nicht jedoch die Kosten für den Erwerb eines neuen Familienheims.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 1, § 120 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Calw (Beschluss vom 09.01.2007) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Rechtspflegerin des AG Calw vom 9.1.2007 aufgehoben.
2. Die vorliegende Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I. Dem Antragsgegner wurde im zugrunde liegenden Hausratsverfahren mit Beschlüssen des AG Calw vom 27.7.2006 und 19.12.2006 ratenfrei Prozesskostenhilfe bewilligt.
Nachdem sich die Parteien durch gerichtlichen Vergleich vom 19.12.2006 unter Verzicht auf weitergehende Ansprüche aus ehelichem Güterrecht auf eine Zahlung der Antragstellerin an den Antragsgegner i.H.v. 50.000 EUR bis spätestens 31.1.2007 geeinigt haben, hat die Rechtspflegerin des AG mit Beschluss vom 9.1.2007 angeordnet, dass der Antragsgegner wegen einer wesentlichen Verbesserung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 120 Abs. 4 ZPO die auf ihn entfallenden Prozesskosten in einem einmaligen Betrag an die Landeskasse zu zahlen hat.
Der Antragsgegner hat gegen diesen Beschluss mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16.1.2007 sofortige Beschwerde eingelegt, die am Folgetag bei Gericht einging.
Er macht geltend, er habe die Vergleichssumme von 50.000 EUR bislang noch nicht erhalten. Des Weiteren habe ihn das Gericht vor seiner Prozesskostenhilfe-Abänderungsentscheidung nicht angehört. Im Zuge einer solchen Anhörung werde er sich ggf. noch dazu äußern, ob und in welchem Umfang er Schulden habe und die Vergleichssumme zur Tilgung benötige. Er müsse sich auf Grund des Vergleichs auch eine neue Wohnung suchen. Es bestehe keine Verpflichtung, den Vergleichsbetrag zur Zahlung von Prozesskosten auf die Seite zu legen. Er habe sich auf Grund des Vergleichs auch neuen Hausrat angeschafft und anschaffen müssen und werde diesen mit der Vergleichssumme bezahlen, sobald er diese erhalte.
Die Rechtspflegerin hat das Rechtsmittel ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt und hierbei darauf hingewiesen, dass die auf den Antragsgegner entfallenden Prozesskosten insgesamt 4.404,61 EUR betragen würden.
II. Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist als sofortige Beschwerde gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 127 Abs. 2 ZPO zulässig.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Gemäß § 120 Abs. 4 ZPO kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Nachteil einer Partei innerhalb von vier Jahren nach Abschluss des Verfahrens abgeändert werden, wenn sich deren persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse wesentlich verbessern.
Eine solche Verbesserung hat die Rechtspflegerin mit dem Hinweis auf die im gerichtlichen Vergleich der Parteien vereinbarte Zahlungsverpflichtung der Antragstellerin nicht festgestellt. Der vereinbarte Zahlungsanspruch des Antragsgegners gegen die Antragstellerin stellt noch kein verwertbares Vermögen dar, auf Grund dessen der Antragsgegner in der Lage wäre, die ihm von der Rechtspflegerin nunmehr aufgegebene Zahlung der Prozesskosten zu leisten.
Die Rechtspflegerin hat auch keine Umstände festgestellt, auf Grund deren ausnahmsweise mit absoluter Sicherheit davon ausgegangen werden könnte, dass die vereinbarte Zahlung von der Antragstellerin auch geleistet wird. Ob in einem solchen Fall eine künftige Zahlungspflicht einer prozesskostenhilfeberechtigten Partei an die Staatskasse angeordnet werden kann, bedarf danach hier keiner Entscheidung.
Der Antragsgegner wird allerdings vorsorglich darauf hingewiesen, dass nach der o.g. gesetzlichen Regelung in § 120 Abs. 4 ZPO sehr wohl eine Verpflichtung besteht, nachträglich erhaltenes Vermögen zur Bestreitung von Prozesskosten einzusetzen. Inwieweit die Tilgung anderweitiger Schulden oder neuer Anschaffungen Vorrang vor der Verpflichtung zur Zahlung von Prozesskosten hat, ist im Einzelfall zu klären, wozu entsprechende Verpflichtungen ggf. vorzutragen und zu belegen sind. Die Tilgung von neuen, erst nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingegangenen Schulden hat dabei nur dann Vorrang, wenn die Schulden zur Bestreitung eines gem. § 115 ZPO vorrangigen Lebensbedarfs aufgenommen werden mussten. Soweit neuer Hausrat angeschafft werden musste, kann dies im Rahmen der Kosten einer bescheidenen Lebensführung - auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist Sozialhilfe - u.U. als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Die Anschaffung eines erst nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erworbenen Familienwohnheims ist nach der Rechtsprechung des Senats gem. der Regelung in §§ 115 ZPO, 90 Abs. 2 Nr. 3 u. 8 BSHG dagegen grundsätzlich nicht privilegiert. Vorrang hat...