Leitsatz (amtlich)

Das Befahren der Umweltzone mit einem hierfür nicht zugelassenen Fahrzeug kann den Verfall des durch den rechtswidrigen Einsatz des Fahrzeugs erlangten Nutzungsvorteils, nicht aber der ersparten Aufwendungen für die Nachrüstung eines Partikelfilters rechtfertigen.

 

Normenkette

BKat Nr. 153; OWiG § 29a Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Entscheidung vom 07.11.2016; Aktenzeichen 15 OWi 66 Js 78266/16)

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde des Verfallsbetroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 7. November 2016 mit den Feststellungen

    aufgehoben.

  2. Die Sache wird zur neuer Verhandlung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die gleiche Abteilung des Amtsgerichts Stuttgart

    zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Verfallsbetroffene wendet sich gegen ein Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 7. November 2016, mit dem gegen ihn ein Verfallsbetrag von 2.500,00 € wegen ersparter Aufwendungen für die Nachrüstung eines in der Umweltzone Stuttgart mit roter Feinstaubplakette angetroffenen Lastkraftwagens festgesetzt wurde.

Dem Urteil liegen u. a. folgende Feststellungen zugrunde: Der Verfallsbetroffene ist Inhaber eines Küchen- und Möbelmontageunternehmens und Halter eines LKW Daimler Chrysler Atego mit dem Kennzeichen.... Am 22. Februar 2016 wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle beanstandet, dass ein Angestellter des Verfallsbetroffenen das Fahrzeug in der - nur für Fahrzeuge mit grüner Plakette zugelassenen - Umweltzone Stuttgart fuhr, obwohl es nur über eine rote Plakette verfügte. Eine Ausnahmegenehmigung lag für das Fahrzeug nicht vor; durch Nachrüstung eines Partikelfilters hätte der Verfallsbetroffene aber die Voraussetzungen für die Erteilung einer grünen Plakette schaffen können. Gegen den Fahrer des Lastkraftwagens wurde keine Geldbuße wegen der Ordnungswidrigkeit nach § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 Nr. 44 (Zeichen 270.1) Spalte 3, § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 24 StVG, Nr. 153 BKat festgesetzt, jedoch gegen den Verfallsbetroffenen mit Bescheid der Landeshauptstadt Stuttgart vom 17. Mai 2016 der Verfall eines Geldbetrages von 3.739,93 € angeordnet. Bei der Bemessung des Betrages orientierte sich die Bußgeldbehörde an dem günstigeren von zwei im Internet eingeholten Angeboten eines Unternehmens in Berlin über die Nachrüstung eines Partikelfilters (inklusive Einbaukosten, jedoch abzüglich der Mehrwertsteuer).

Gegen diesen am 19. Mai 2016 zugestellten Bescheid legte der Verteidiger des Verfallsbetroffenen am 24. Mai 2016 Einspruch ein. Das Amtsgericht Stuttgart setzte mit Urteil vom 7. November 2016 einen Verfallsbetrag von 2.500,00 € fest, nachdem der Verfallsbetroffene in der Hauptverhandlung das Angebot eines Unternehmens in Schwäbisch Hall zur Nachrüstung eines Partikelfilters für den Preis von 2.500,00 € (inkl. Einbaukosten, abzgl. Mehrwertsteuer) vorgelegt hatte. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, die Ordnungswidrigkeit sei unmittelbar kausal für die ersparten Aufwendungen des Verfallsbetroffenen. Die Umweltzone begründe nicht lediglich ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, sondern ein repressives Verbot mit Befreiungsmöglichkeit im Einzelfall. Durch die bußgeldbewehrte Handlung erlangt habe der Verfallsbetroffene die Aufwendungen, die er dadurch erspart habe, dass er den - für die Erteilung einer grünen Feinstaubplakette erforderlichen - Partikelfilter nicht eingebaut habe.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart legte der Verteidiger des Verfallsbetroffenen am 14. November 2016 Rechtsbeschwerde ein. Eine Ausfertigung des Urteils wurde ihm am 22. Dezember 2016 zugestellt. Am Montag, dem 23. Januar 2017 begründete er die Rechtsbeschwerde mit der Sachrüge. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte in ihrer Zuschrift vom 16. Februar 2017, das Urteil des Amtsgerichts und den Verfallsbescheid der Landeshauptstadt Stuttgart gemäß § 349 Abs. 4 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG aufzuheben und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Verfallsbetroffenen der Staatskasse auferlegen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat aufgrund der Sachrüge (vorläufig) Erfolg. Das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 7. November 2016 ist rechtsfehlerhaft, weil der Verfallsbetroffene den für die Nachrüstung eines Rußpartikelfilters ersparten Geldbetrag nicht im Sinne des § 29a Abs. 2 OWiG durch die mit der Geldbuße bedrohte Handlung erlangt hat.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere das nach § 87 Abs. 6 i.V. Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 und § 79 Abs. 1 OWiG statthafte Rechtsmittel.

2. Die Generalstaatsanwaltschaft führt in ihrer Zuschrift vom 16. Februar 2017 unter anderem aus:

"Die Anordnung des Verfalls gem. § 29a OWiG ist rechtsfehlerhaft.

Vorteile aus der mit Geldbuße bedrohten Handlung sind Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen. Hierbei ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Unmittelbarkeit. Das Erlangte muss unmittelbar aus der Tat dem Täter zugeflossen sein; zwischen Tat und Vorteil mu...

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