Leitsatz (amtlich)

Ein Übergabevertrag, durch den das dem Betreuten gehörende landwirtschaftliche Unternehmen gegen Zusage eines Altenteils auf den Sohn übertragen werden soll, ist nicht generell "nicht genehmigungsfähig". Die Versagung der Bestellung eines Ergänzungsbetreuers rechtfertigt sich auch nicht allein dadurch, dass potentielle Miterben des Übernehmers Vermögensteile des Betreuten "ohne Gegenleistung" erhalten sollen.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 11.09.2003; Aktenzeichen 27 O 416/02)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim LG Stuttgart vom 11.9.2003 dahin abgeändert, dass der Kläger anstelle des festgesetzten Betrags von 2.542,88 Euro nur 1.977,38 Euro (nebst gesetzlichen Zinsen) an den Beklagten zu erstatten hat.

2. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 565,50 Euro.

 

Gründe

1. Nachdem die Klage auf Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs in erster Instanz erfolglos geblieben war, hat das Berufungsgericht auf die Berufung des Klägers durch (näher begründete) Verfügung des Vorsitzenden vom 16.7.2003 die Parteien darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Berufung mangels Erfolgsaussicht nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Nach Ablauf der Stellungnahmefrist, in der sich der Kläger nicht mehr geäußert hatte, hat der Zivilsenat die Berufung durch Beschluss vom 13.8.2003 zurückgewiesen.

Auf Antrag des Beklagten hat die Rechtspflegerin im eingangs genannten Kostenfestsetzungsbeschluss für das Berufungsverfahren neben einer 13/10-Prozessgebühr auch eine 13/10-Verhandlungsgebühr (zzgl. Mehrwertsteuer) zuerkannt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde vom 23./25.9.2003, mit der er - nur - den Ansatz einer Verhandlungsgebühr rügt. Der Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Die Rechtspflegerin hat durch Beschluss vom 27.10.2003 nicht abgeholfen; das Berufungsgericht habe im schriftlichen Verfahren entschieden, weshalb eine Verhandlungsgebühr nach § 35 BRAGO angefallen sei.

2. Das zulässige Kostenrechtsmittel des Klägers hat in der Sache Erfolg.

a) Entgegen der Annahme der Rechtspflegerin gehört das Beschlussverfahren beim Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht zu den schriftlichen Verfahren, in denen § 35 BRAGO ausnahmsweise den Anfall einer Verhandlungsgebühr vorsieht. Dass die dort aufgeführten Sonderfälle (§§ 307, 331,495a ZPO) - die zu einem Urteil und nicht zu einem Beschluss führen - hier nicht einschlägig sind, ist offensichtlich. Aber auch der weitere Fall eines einverständlichen Verzichts der Parteien auf eine mündliche Verhandlung liegt nicht vor, weil es sich nicht um ein Verfahren handelt, für das eine "mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist". Da § 35 BRAGO eine Ausnahmebestimmung ist, muss das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen genau geprüft werden (Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 35 Rz. 1; Hartmann, KostenG, 32. Aufl., BRAGO, § 35 Rz. 1; Gebauer/Schneider, BRAGO, § 35 Rz. 1).

Das Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO lässt sich noch weniger als das Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO (OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.5.2003, Die Justiz 2003, 557) als ein Verfahren begreifen, für das eine analoge Anwendung von § 35 BRAGO in Betracht kommt. Das durch die ZPO-Reform neu eingeführte Beschlussverfahren zur Rechtsmittelzurückweisung wegen mangelnder Erfolgsaussicht dient gerade der Vermeidung einer mündlichen Verhandlung (Hannisch/Meyer/Seitz/Engers, ZPO-Reform, zu § 522 ZPO) und gehört deshalb nicht zu den Verfahren mit grundsätzlich obligatorischer mündlicher Verhandlung. § 522 Abs. 2 ZPO eröffnet ein schriftliches Beschlussverfahren und schließt dabei sogar eine mündliche Verhandlung aus, ebenso wie etwa bei einer Verwerfung wegen Unzulässigkeit (§ 522 Abs. 1 (früher § 519b) ZPO). Nachdem schon bei Verfahren mit fakultativer mündlicher Verhandlung - etwa Beschwerdeverfahren nach § 91a ZPO oder ein PKH-Verfahren - die Voraussetzungen von § 35 BRAGO zu verneinen sind, kommt dessen Anwendung bei Verfahren mit ausgeschlossener mündlicher Verhandlung nicht in Betracht.

Die Gewährung rechtlichen Gehörs in einem schriftlichen Verfahren - worauf der Beklagte abstellt - ist nicht geeignet, eine Verhandlungsgebühr auszulösen, denn dann müsste in allen Beschwerdeverfahren - bis hin zum Kostenfestsetzungsverfahren - eine Gebühr für eine "schriftliche Verhandlung" anzusetzen sein, was offensichtlich nicht der Fall ist. Der Hinweis der Rechtspflegerin auf die Kommentierung bei Zöller/Gummer (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rz. 33) ergibt nichts Gegenteiliges.

b) Demgemäß hat der Senat bereits durch (unveröffentlichten) Einzelrichterbeschluss vom 21.7.2003 (OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.7.2003 - 8 W 308/03; LG Hechingen - 5 O 29/02 KfH) in der vorliegenden Konstellation den Anfall einer Verhandlungsgebühr nach § 35 BRAGO verneint. Ebenso haben - inzwischen veröffentlicht - das OL...

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