Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 RVG-VV auf die gerichtliche Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV kommt nur in Betracht, wenn diese im Hauptverfahren oder anderweitig tituliert oder der Anrechnungseinwand im Kostenfestsetzungsverfahren unstreitig ist.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Beschluss vom 13.08.2007; Aktenzeichen 8 O 90/07) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Heilbronn vom 13.8.2007 - 8 O 90/07, wird zurückgewiesen.
II. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 334,69 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten darüber, ob der Verfügungsbeklagte verpflichtet ist, sich im Rahmen der Kostenfestsetzung auf die für seinen Bevollmächtigten entstandene und grundsätzlich erstattungsfähige gerichtliche Verfahrensgebühr 0,75 einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr anrechnen zu lassen.
Das Hauptsacheverfahren wurde beendet durch Urteil vom 23.4.2007, mit dem der Verfügungsklägerin die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auferlegt wurden.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.8.2007 hat die Rechtspflegerin des LG die von der Verfügungsklägerin an den Verfügungsbeklagten zu erstattenden Kosten auf insgesamt 1.206,21 EUR festgesetzt. In diesem Betrag ist u.a. die von dem Verfügungsbeklagten für seinen Bevollmächtigten angefallene 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV in voller Höhe berücksichtigt, nicht dagegen die mit dem Antrag beanspruchte außergerichtliche 1,5-Geschäftsgebühr von 562,50 EUR gem. Nr. 2300 RVG-VV nebst Auslagenpauschale von 20 EUR und 19 % Umsatzsteuer abzgl. einer 0,75-Anrechnung auf die gerichtliche Verfahrensgebühr.
Mit ihrer fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde beruft sich die Verfügungsklägerin auf die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV, so dass im Kostenfestsetzungsverfahren wegen der vorgerichtlichen Tätigkeit lediglich noch eine 0,55-Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht werden könne. Der festgesetzte Erstattungsbetrag sei somit um 334,69 EUR zu kürzen. Zur Begründung seiner Ansicht beruft sich der Klägervertreter auf die Entscheidung des BGH vom 7.3.2007 (VIII ZR 86/06).
Der Verfügungsbeklagte ist der Beschwerde entgegengetreten. Er teilt mit, dass die im Antrag aufgenommene 1,5-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV versehentlich in Ansatz gebracht worden sei, für diese bestehe nicht einmal ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch.
Die Rechtspflegerin hat das Rechtsmittel der Verfügungsklägerin ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO statthaft und auch sonst zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Festsetzung der Rechtspflegerin ist nicht zu beanstanden. Sie hat zu Recht die für den Bevollmächtigten des Verfügungsbeklagten entstandene 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV als prozessualen Kostenerstattungsanspruch in vollem Umfang gegen die Verfügungsklägerin in Ansatz gebracht.
Eine Pflicht zur Anrechnung der bei dem Verfügungsbeklagten aufgrund etwaiger vorgerichtlicher Tätigkeit seiner Bevollmächtigten entstandenen Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV nach Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV auf die im gerichtlichen Verfahren angefallene 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV ergibt sich entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin nicht aus der Entscheidung des BGH vom 7.3.2007 (AGS 2007, 283) und auch nicht aus der vom 14.3.2007 (AGS 2007,289). Beide Urteile betrafen Fälle, in denen der Kläger als Nebenforderung die Geschäftsgebühr aufgrund eines materiellen Schadensersatzanspruchs mit eingeklagt hatte. Dieses Vorgehen hat der BGH aufgrund der Anrechnungsvorschrift in Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV als berechtigt angesehen und im Zusammenhang damit darauf hingewiesen, dass die Anrechnung nach dem Wortlaut der Vorschrift in Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV erst im Kostenfestsetzungsverfahren des Rechtsstreits erfolge.
Im vorliegenden Verfahren hat der Verfügungsbeklagte eine möglicherweise vorgerichtlich angefallene Geschäftsgebühr seines Bevollmächtigten weder im Hauptsacheverfahren noch in einem anderen Verfahren - als materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch - geltend gemacht.
Für diese Fallgestaltung entspricht es, soweit ersichtlich, ganz h.M. im Zivilrecht, dass im Kostenfestsetzungsverfahren auf der Grundlage der gerichtlichen Kostengrundentscheidung nur die prozessual entstandenen Gebühren und damit grundsätzlich die volle Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV zu berücksichtigen ist, sofern diese im Verfahren in voller Höhe entstanden ist. Die Anrechnungsvorschrift gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV gilt grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten. Der Pro...