Leitsatz (amtlich)

Nach Verwerfung der Berufung gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO sind die Mitglieder der Berufungskammer nicht mehr erkennende Richter im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO, auch wenn noch über einen Wiedereinsetzungsantrag nach § 329 Abs. 7 StPO zu entscheiden bzw. die Frist zur Stellung eines solchen Antrags noch nicht abgelaufen ist (Bestätigung von Senat, Beschluss vom 28. Juli 1998 - 4 Ws 220/88, OLGSt Nr. 4 zu § 28 StPO).

 

Normenkette

StPO § 28 Abs. 2 S. 2, § 329 Abs. 1 S. 1, Abs. 7

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Entscheidung vom 17.11.2017; Aktenzeichen 33 Ns 90 Js 101007/13)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts - 33. Kleine Strafkammer - Stuttgart vom 17. November 2017 wird als unbegründet

verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Stuttgart verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 14. März 2017 wegen drei Fällen des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Amtsgericht Offenbach am Main vom 25. März 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein, der Berufungshauptverhandlung am 25. Oktober 2017 blieb er jedoch fern. Erschienen war lediglich Rechtsanwältin ... in Untervollmacht für den vom Angeklagten allgemein zur Vertretung bevollmächtigten Wahlverteidiger Rechtsanwalt .... Da sich ein Zustellnachweis nicht bei der Akte befand, erfolgte in einer Verhandlungspause eine Nachfrage bei der Deutschen Post AG, welche ergab, dass die Terminsladung dem Angeklagten am 15. September 2017 im Wege der Ersatzzustellung zugestellt worden war. Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2017 wurde die Berufung daraufhin auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gegen dieses Urteil, welches ihm am 11. November 2017 zugestellt wurde, legte der Angeklagte durch seinen Verteidiger bereits am 2. November 2017 Revision ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, sein Wahlverteidiger habe ihm mitgeteilt, er müsse nicht erscheinen.

Mit weiterem Verteidigerschriftsatz vom selben Tag ließ der Angeklagte über seinen Verteidiger die Vorsitzende der für die Durchführung des Berufungsverfahrens zuständigen Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Verwerfung der Berufung des Angeklagten sei trotz Anwesenheit der Verteidigung und ohne hinreichenden Nachweis der Zustellung der Terminsladung erfolgt, was grob rechtswidrig sei und den Anschein der Willkür erwecke. Darüber hinaus wurde vorgebracht, sowohl die Vorsitzende als auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft hätten den Mitangeklagten ..., über dessen Berufung in dem Termin ebenfalls verhandelt worden war, auf eine mögliche Verschärfung diesem erteilter Bewährungsauflagen hingewiesen, worauf dieser letztlich seine Berufung zurückgenommen habe. Dies lasse für den Angeklagten den Schluss zu, es sei eine rechtswidrige Verständigung zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft vorausgegangen.

Im Rahmen einer daraufhin eingeholten dienstlichen Erklärung führte die abgelehnte Richterin aus, sie habe ihr Verwerfungsurteil auf die geltende Fassung des § 329 StPO gestützt. Wegen des Zustellnachweises verwies sie auf die eingeholte Auskunft der Deutschen Post AG und ergänzte, dass der Zustellnachweis inzwischen vorliege. Den vorgenannten Hinweis gegenüber dem Mitangeklagten ... bestätigte sie, Gespräche oder Absprachen mit der Staatsanwaltschaft habe es jedoch nicht gegeben.

Das Ablehnungsgesuch wurde sodann - ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin - durch Beschluss vom 17. November 2017 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, der seinem Verteidiger am 28. November zugestellt wurde, hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 29. November 2017 ein als "Beschwerde" bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt.

II.

1. Der Schriftsatz vom 29. November 2017 ist als sofortige Beschwerde gegen den das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluss (§ 28 Abs. 2 Satz 1 StPO) auszulegen. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie nicht nach § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeschlossen.

a) Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO kann ein Beschluss, mit welchem ein Gesuch auf Ablehnung eines erkennenden Richters als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wurde, aus prozessökonomischen Gründen nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 28 Rn. 5 mwN). Entscheidend ist, ob der abgelehnte Richter zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch noch erkennender Richter war (vgl. BeckOK-StPO/Cirener, Stand Juli 2017, § 28 Rn. 10 mwN). Erkennende Richter sind alle Richter, die zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufen sind. Die Eigenschaft als erkennender Richter beginnt beim Berufungsgericht mit der Vorlage d...

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