Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Kindesentführung: Ablehnung der Rückgabe bei Einwand des nicht ausgeübten Mitsorgerechts. Sorgeentscheidung bei anhängigem Rückführungsantrag
Leitsatz (redaktionell)
Rückführung von Kindern nach Thailand nach Sorgerechtsverletzung der Mutter
Normenkette
HKiEntÜ Art. 3 S. 1a, Art. 4, 13 S. 1a; HKiEntÜ Art. 16
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Beschluss vom 09.10.2008; Aktenzeichen 20 F 1111/08) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - FamG - Stuttgart vom 9.10.2008 (20 F 1111/08) wird zurückgewiesen.
2. Die sofortige Vollziehung des Beschlusses des AG - FamG - Stuttgart vom 9.10.2008 (20 F 1111/08) wird angeordnet
3. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
4. Der Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 3.500 EUR.
Gründe
I. Das AG hat dem Antrag des Kindesvaters (Antragstellers) stattgegeben, die gemeinsamen Kinder der Beteiligten, A. Y. N. B., S. B. G. B. und O. E. W. J. B., unter Anwendung der Vorschriften des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen vom 25.10.1980 (HKiEntÜ) zu ihm nach Thailand zurückzuführen. Das FamG hat die Herausgabe der Kinder angeordnet und weitere Bestimmungen zur Vollstreckung seines Beschlusses getroffen. Die Kindesmutter (Antragsgegnerin) wendet sich gegen diese Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde und beantragt ferner den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welcher ihr das Aufenthaltsbestimmungsrechtfür die Kinder vorläufig übertragen werden solle.
Der Senat entscheidet ohne erneute Anhörung der Beteiligten, nachdem die Antragsgegnerin im ersten Rechtszug richterlich angehört worden ist, der Sachverhalt umfänglich aufgeklärt ist und die Beschwerde im Ergebnis nichts dartut, was eine erneute Anhörung der Beteiligten geboten hätte.
II. Die nach § 40 Abs. 2 Satz 1 IntFamRVG zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet. Das AG hat die Rückführung der Kinder zu Recht angeordnet. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Antragsgegnerin erschüttern die angefochtene Entscheidung nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des Beschlusses verwiesen, der sich der Senat anschließt. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist ergänzend Folgendes auszuführen:
1. Das Zurückhalten der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel des dauerhaften Aufenthalts war widerrechtlich nach Art. 3 Satz 1 lit. a HKiEntÜ. Vorauszusetzen ist die Verletzung eines nach dem Recht des Herkunftsstaats bestehenden Sorgerechts (vgl. Palandt/Heldrich, BGB, 67. Aufl., Anh. zu Art. 24 EGBGB (IPR), Rz. 58, 69). Sorgerechtsinhaber für A. Y. N., S. B. G. und O. E. W. Joseph sind deren Eltern gemeinsam.
2. Versagungsgründe nach Art. 13 Satz 1 HKiEntÜ sind nicht dargetan und auch nicht erkennbar. Eine Entscheidung nach dem HKiEntÜ ist keine Sorgeentscheidung (Art. 19 HKiEntÜ). Nicht zu fragen ist deshalb, welche Entscheidung zur Aufenthaltsbestimmung dem Kindeswohl am besten gerecht wird. Art. 13 Satz 1 HKiEntÜ steht der Rückführung vielmehr nur dann entgegen, falls die Antragsgegnerin nachweist, dass a) der Antragsteller das Sorgerecht tatsächlich nicht ausgeübt hat oder b) die Rückgabe der Kinder mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens verbunden oder sie auf andere Weise in eine unzumutbare Lage gebracht werden. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
a) Zwar beruft sich die Antragsgegnerin darauf, der antragstellende Vater habe sein (Mit-) Sorgerecht nicht ausgeübt. Der Sinn des HKiEntÜ besteht indes gerade darin, dass die Kinder in den Ursprungsstaat zurückgelangen, damit dort über das Sorgerecht entschieden wird. Auch das setzt eine Rückkehr zu dem dort verbliebenen Elternteil voraus, der die gebotenen Anträge stellen kann. Deshalb kommt es für die Entscheidung über den Rückführungsantrag weder darauf an, wer bislang als Hauptbezugsperson der Kinder gelten kann noch wo sie sich zeitlich überwiegend aufgehalten haben. Vor der Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland (April 2008) hatten A. Y. N., S. B. G. und O. E. W. J. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Thailand. Nicht erheblich ist deshalb die - durch Vorlage mehrerer Stellungnahmen untermauerte - Einlassung der Antragsgegnerin, die drei Kinder hätten sich bereits in der Bundesrepublik Deutschland eingelebt.
Erkennbar bezieht sie sich damit auf die soziale Integration der Kinder. Für die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts (vgl. hierzu: OLG Frankfurt, FamRZ 2006, 883) kommt es hierauf wegen des durch Art. 4 Satz 1 HKiEntÜ festgelegten Zeitpunkts nicht an. Eine Entscheidung über die elterliche Sorge ist indes, wie ausgeführt, nicht zu treffen
Das bezieht sich zugleich auf die Frage, ob der Kindesvater erziehungsgeeignet ist. Die Antragsgegnerin möchte dieses erkennbar in Abrede stellen, zugleich wegen solcher Umstände, welche ihr selbst spätestens bei Eheschließung bekannt gewesen waren...