Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 07.04.2016; Aktenzeichen 14 O 420/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 7.4.2016 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens:
- bis zum Urteil vom 24.1.2017: bis 65.000,00 EUR
- nach Zurückverweisung: 11.322,76 EUR
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S.1 ZPO abgesehen.
Da das in dieser Sache bereits ergangene Urteil des Senats vom 24.1.2017 in der Hauptsache rechtskräftig ist, soweit die auf den Widerruf des Darlehensvertrages vom 6.2.2008 (Nr....) gestützte Klage abgewiesen ist, ist nach der Zurückverweisung der Sache aufgrund Urteils des Bundesgerichtshofs vom 27.11.2018 - XI ZR 111/17 - nur noch über die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zu entscheiden, dem Kläger aufgrund des Widerrufs des Darlehensvertrages vom 1.3.2008 (Nr. ...) das Aufhebungsentgelt in Höhe von 11.322,76 EUR nebst Zinsen zu erstatten.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Der Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss des Darlehensvertrages vom 1.3.2008 gerichteten Willenserklärung steht der Einwand der Verwirkung entgegen.
Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt, neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH Urteile, vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 -, Rn. 40; vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15 -, Rn. 37; vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15 -, Rn. 30; Beschlüsse vom 23. Januar und 7. März 2018 - XI ZR 298/17).
b) Da der Widerruf mehr als sechs Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages erklärt wurde, liegt das für die Verwirkung notwendige Zeitmoment vor. Auch das weiter erforderliche Umstandsmoment ist zu bejahen, bei welchem ergänzend in den Blick zu nehmen ist, dass zwischen Beendigung des Vertrages und Widerruf ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren liegt.
aa) Dem Wunsch des Verbrauchers, den Vertrag vorzeitig zu beenden, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - abhängig von den weiteren Umständen - maßgebliches Gewicht beizumessen sein (BGH, Beschluss vom 12. September 2017 - XI ZR 365/16 -, Rn. 8 zum Urteil des Senats vom 23. Mai 2017 - 6 U 192/16). Dass der Darlehensgeber davon ausging oder ausgehen musste, der Darlehensnehmer habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schließt eine Verwirkung nicht aus (BGH, Urteil vom 27. November 2017 - XI ZR 455/16). In Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs misst der Senat dem Umstand, dass der Darlehensnehmer die vorzeitige Vertragsbeendigung gewünscht hat, auch in Fällen wie dem vorliegenden im Rahmen der gebotenen Würdigung des Einzelfalles maßgebliches Gewicht bei. Dass dabei die fehlende Kenntnis des Darlehensnehmers kein entscheidender Gesichtspunkt ist, hat der Senat im vorliegenden Fall aufgrund der Zurückverweisung der Sache gemäß § 563 Abs. 2 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
bb) Gegen die Verwirkung kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ferner nicht mit Erfolg argumentiert werden, die Beklagte sei nicht schutzwürdig, weil sie durch die fehlerhafte Widerrufsbelehrung den eingetretenen Schwebezustand selbst zu verantworten habe und sie zudem in der Lage gewesen wäre, diesen durch eine Nachbelehrung zu beenden. Wurde der Vertrag auf Wunsch des Verbrauchers vorzeitig beendet, stehen weder der ursprüngliche Mangel der Widerrufsbelehrung noch der Umstand, dass es der Unternehmer in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren, der Annahme der Verwirkung entgegen (BGH, Urteil vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15 -, Rn. 30; Beschlüsse vom 23. Januar und 7. März 2018 - XI ZR 298/17).
cc) Soweit das Eingreifen der Verwirkung im Allgemeinen davon abhängig gemacht wird, dass dem Verpflichteten andernfalls ein unzumutbarer Nachteil entstünde, ist zu berücksichtige...