Entscheidungsstichwort (Thema)

Schmerzensgeld. Vererblichkeit von Schmerzensgeldansprüchen

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach der seit 01.07.1990 geltenden Neufassung des § 847 BGB sind Schmerzensgeldansprüche ohne weiteres übertragbar und vererblich. Sie entstehen mit der Rechtsgutverletzung. Einer besonderen Willensäußerung des Verletzten bedarf es zu ihrer Begründung nicht (mehr).

 

Normenkette

BGB §§ 847, 1922

 

Verfahrensgang

LG Ellwangen (Urteil vom 21.10.1993; Aktenzeichen 3 O 367/93)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 21.10.1993 (3 O 367/93) wird

zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000 DM abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert der Berufung:

2.500 DM

 

Tatbestand

Der Sohn der Kläger erlitt bei einem vom Beklagten Ziff. 1 verschuldeten Verkehrsunfall schwerste Verletzungen, an denen er 3 1/2 Stunden nach dem Unfall, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben, starb.

Mit der Klage machen die Kläger einen im Wege des Erbgangs auf sie übergegangenen Schmerzensgeldanspruch ihres Sohnes geltend.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld – nach ihrer Vorstellung 15.000 DM – zu bezahlen.

Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt.

Ihrer Ansicht nach liegen die Voraussetzungen für die Zubilligung eines Schmerzensgelds nicht vor.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 21.10.1993 ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 DM zugesprochen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Klagabweisungsantrag weiterverfolgen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die im Berufungsverfahren zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat den Klägern zu Recht ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 DM zugesprochen.

1.

Nach der seit 1.07.1990 geltenden Neufassung des § 847 BGB sind Schmerzensgeldansprüche ohne weiteres übertragbar und vererblich. Sie entstehen mit der Rechtsgutverletzung. Einer besonderen Willensäußerung des Verletzten bedarf es zu ihrer Begründung nicht (mehr).

2.

In der Person des Sohnes der Kläger ist ein Schmerzensgeldanspruch entstanden, der auf die Kläger als Erben übergehen konnte.

a) Zwar ist nicht zu verkennen, daß der Schmerzensgeldanspruch seine herkömmlichen Funktionen – die Ausgleichs- und die Genugtuungsfunktion – nicht mehr zu erfüllen vermag in Fällen wie dem vorliegenden, in denen wegen des sofortigen Eintritts der Bewußtlosigkeit und deren Fortdauer bis zum Tod der Verletzte gar nicht in der Lage ist, Schmerzen oder Genugtuung zu empfinden.

b) Der BGH hat jedoch schon früher in ständiger Rechtsprechung bei fehlender Empfindungsfähigkeit des Verletzten, soweit diese gerade auf der Verletzungshandlung beruhte, ein Schmerzensgeld zugesprochen, dies allerdings nur unter dem Gesichtspunkt, daß damit in symbolhafter Weise die Beeinträchtigung der in der Rechtsordnung bedingungslos geschützten Person gesühnt werde (BGH NJW 1976, 1148).

c) Neuerdings (vgl. NJW 93, 781) ist der BGH sogar der Meinung, in Fällen, bei denen die Zerstörung der Persönlichkeit durch den Fortfall der Empfindungsfähigkeit geradezu im Mittelpunkt stehe, sei ein Schmerzensgeld nicht nur als symbolischer Akt der Wiedergutmachung gerechtfertigt. In diesen Fällen stelle vielmehr die Einbuße der Persönlichkeit, der Verlust an personaler Qualität infolge der Verletzung schon für sich einen auszugleichenden immateriellen Schaden dar unabhängig davon, ob der Betroffene die Beeinträchtigung empfinde, und müsse deshalb auch bei der Bemessung der Entschädigung nach § 847 BGB einer eigenständigen Bewertung zugeführt werden, die der zentralen Bedeutung dieser Einbuße für die Person gerecht werde.

d) Fraglich erscheint allerdings, ob diese Rechtsprechung auch auf Fälle der vorliegenden Art anwendbar ist, in denen die Zerstörung der Persönlichkeit durch den Fortfall der Empfindungsfähigkeit, der Verlust an personaler Qualität nur ein mehr oder weniger kurzes Zwischenstadium zwischen Verletzung und Tod darstellt.

Der Senat läßt dies dahingestellt. Er ist der Ansicht, daß – entsprechend der früheren Rechtsprechung des BGH – in Fällen der vorliegenden Art im Hinblick auf den Sühnegedanken jedenfalls die Zubilligung eines symbolischen Schmerzensgelds gerechtfertigt ist, dessen Höhe sich ausschließlich am Verschulden des Schädigers orientieren sollte. Eine Anknüpfung an die Dauer der Bewußtlosigkeit zwischen Verletzungshandlung und Eintritt des Todes, wie Hammen (in VersR 1989, 1121) dies vorschlägt, hält der Senat nicht für angebracht, da ...

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