Leitsatz (amtlich)

1. Der Gläubiger einer GmbH kann deren Einlageforderung gegen einen ihrer Gesellschafter in gewillkürter Prozessstandschaft mit einem Antrag, der auf Verurteilung zur Zahlung an die Gesellschaft gerichtet ist, geltend machen. Das gilt auch dann, wenn die Einlageforderung deshalb nicht an den Gläubiger abgetreten werden darf, weil ihr keine vollwertige Gegenforderung des Gläubigers entgegensteht.

2. a) Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung über die Behandlung verdeckter Sacheinlagen kann der GmbH-Gesellschafter seine Bareinlagepflicht nicht erfüllen und das insoweit bestehende Auf- und Verrechnungsverbot umgehen, indem er Zahlungen in Höhe der Bareinlage an die Gesellschaft erbringt und unmittelbar davor oder danach Zahlungen in entspr. Höhe von der Gesellschaft entgegennimmt (sog. „Hin- und Herzahlen”).

b) Ob die im Rahmen des „Hin- und Herzahlens” beglichenen Forderungen des Gesellschafters bestehen und ob sie vollwertig sind, ist für den Tatbestand der verdeckten Sacheinlage unerheblich.

c) Die Anwendung der Grundsätze über die Behandlung verdeckter Sacheinlagen setzt nicht voraus, dass es den Beteiligten auf die Gesetzesumgehung ankommt oder dass sie in Kenntnis dessen handeln, dass die Vorschriften über die Kapitalaufbringung verletzt werden.

3. a) Die rechtskräftige Entscheidung eines ausländischen Gerichts, das auf eine vom Schuldner gegen den Gläubiger erhobene negative Feststellungsklage entschieden hat, ein Anspruch bestehe nicht, kann gem. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht anerkannt werden, wenn derselbe materielle Anspruch im Inland mit einer früher rechtshängig gewordenen Zahlungsklage durch einen Dritten im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft gegen den Schuldner geltend gemacht wird.

b) Das gilt auch dann, wenn der Dritte die Klage zunächst darauf gestützt hat, der Anspruch sei ihm vom Gläubiger abgetreten worden, und wenn die Abtretung zwar unzulässig ist, aber in eine gewillkürte Prozessstandschaft umgedeutet werden kann.

 

Normenkette

GmbHG § 19 Abs. 5; ZPO §§ 325, 328 Abs. 1 Nr. 3, § 4

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Aktenzeichen 2 O 260/00)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Schlussurteil der 2. Zivilkammer des LG Ulm vom 12.1.2001 – 2 O 260/00 – abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 255.645,94 Euro zzgl. 4 % Zinsen seit 30.6.1998 zu bezahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin 65 %, der Beklagte 35 %. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zum Teilurteil des LG über den Hauptantrag. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zum Schlussurteil des LG über den Hilfsantrag.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 330.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 40.000 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Der Klägerin wird nachgelassen, Sicherheit auch durch selbstschuldnerische und unwiderrufliche Bürgschaft einer als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen deutschen Großbank oder Sparkasse zu erbringen.

4. Der Streitwert wird wie folgt neu festgesetzt:

a) Hauptantrag: Für die erste Instanz 917.040 DM;

Für die zweite Instanz 943.024 DM.

b) Hilfsantrag für beide Instanzen: 500.000 DM (= 255.645,94 Euro).

 

Tatbestand

Die Klägerin macht einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Bareinlage i.H.v. 500.000 DM an die M. Europa GmbH in Prozessstandschaft für diese geltend. Die Klägerin ist die Hausbank der M. Europa GmbH. Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage mangels einer wirksamen Prozessführungsbefugnis unzulässig sei, dass er i.Ü. diesen Anspruch durch Zahlung der Bareinlage erfüllt habe und dass einer Entscheidung über den Anspruch auch dessen rechtskräftige Aberkennung durch kalifornische Gerichte entgegenstehe.

Am 8.2.1984 wurde die M. Musikverstärker Vertriebs GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 DM gegründet. Sie hat am 29.9.1992 in M. Europa GmbH (im Folgenden einheitlich als M. Europa GmbH bezeichnet) umfirmiert. Ihre Aufgabe war es, Musikverstärker auf dem deutschen Markt und in Europa zu vertreiben, die von der M. Ltd., einer amerikanischen Gesellschaft mit Sitz in P./Kalifornien, produziert und von der M. International Ltd. weltweit vertrieben wurden. Die M. International Ltd. war Gründungs- und zunächst Alleingesellschafterin der deutschen Gesellschaft. Einziger Gesellschafter der amerikanischen Gesellschaften war der Beklagte. Geschäftsführer der M. Europa GmbH wurde P., der diese Position auch heute noch inne hat.

Am 29.5.1987 trat die M. International Ltd. ihre Anteile an der deutschen Gesellschaft in privatschriftlicher Form an die B. International Ltd., ebenfalls eine kalifornische Gesellschaft, ab. Deren einziger Gesellschafter war ebenfalls der Beklagte. Die Anteilsübertragung wurd...

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