Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs kann auch dann aufgrund der Regelverjährung verjährt sein, wenn für den betroffenen Abrechnungszeitraum möglicherweise unverjährte Provisionsansprüche bestehen, weil der Unternehmer provisionspflichtige Geschäfte nicht in seine Abrechnung aufgenommen hat und die subjektiven Voraussetzungen für den Verjährungsbeginn im Hinblick auf den Provisionsanspruch daher nicht vorliegen (entgegen OLG München, Urteil vom 03.11.2010 - 7 U 3083/10; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.01.2011 - 12 U 744/10; OLG Oldenburg, Urteil vom 04.04.2011 - 13 U 27/10).
Normenkette
HGB § 87c Abs. 2; BGB §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 16.06.2015; Aktenzeichen 21 O 2/15 KfH) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Heilbronn vom 16.06.2015 abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit im vorbezeichneten Urteil hierüber erkannt worden ist.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: 2.000 EUR
Gründe
I. Der Kläger war im Zeitraum vom 01.07.2012 bis 31.12.2014 als Bezirksvertreter für die Beklagte tätig. Der Handelsvertretervertrag der Parteien vom 29.06.2012 enthält folgende Regelung (Anlage K 1):
"§ 12 Verjährung
Die Ansprüche aus diesem Vertragsverhältnis verjähren in 12 Monaten ab Kenntnis des Berechtigten von denjenigen Umständen, die die Entstehung des Anspruchs begründen. In jedem Fall tritt die Verjährung spätestens nach Ablauf von zwei Jahren nach Fälligkeit des Anspruchs ein.
Unberührt bleiben gesetzliche Regelungen, die eine längere Verjährungsfrist zwingend vorsehen. Für den Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB) beginnt die Verjährungsfrist gemäß Abs. 1 erst nach Ablauf von einem Jahr nach Vertragsende."
Der Kläger hat im Wege der Stufenklage in der ersten Stufe die Erteilung eines Buchauszugs für näher bezeichnete Geschäfte verlangt, welche die Beklagte im Zeitraum vom 01.07.2012 bis zum 31.12.2014 getätigt hat. Diesen Anspruch hat die Beklagte anerkannt, soweit der Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2014 betroffen ist, woraufhin das LG ein Teil-Anerkenntnisurteil erlassen hat. Im Hinblick auf den übrigen Zeitraum hat das LG die Beklagte durch streitiges Urteil antragsgemäß zur Erteilung eines Buchauszugs verurteilt. Das LG hat gemeint, die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greife nicht durch, weil die Regelung in § 12 Abs. 1 des Handelsvertretervertrags der Parteien unwirksam sei. Auch bei einer Würdigung der Klausel als Individualvereinbarung könne diese nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die kurze Verjährungsfrist bei Ansprüchen wegen Vorsatzes nicht gelten solle, so dass ein Verstoß gegen § 202 BGB vorliege. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie bringt vor, das LG habe die Klausel in § 12 des Handelsvertretervertrags, bei welcher es sich nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, zu Unrecht als unwirksam angesehen. Aus dem zweiten Absatz der Klausel erschließe sich unzweifelhaft, dass bei Ansprüchen wegen Vorsatzes die Verjährung nicht habe erleichtert werden sollen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Heilbronn vom 16.06.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er bringt vor, bei der Klausel in § 12 des Vertrags handele es sich um eine von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung, diese Bestimmung sei aber selbst bei einer Einstufung als Individualvereinbarung unwirksam. Letztlich komme es auf die Wirksamkeit der Klausel gar nicht an, weil die hiernach geregelten Voraussetzungen für den Verjährungsbeginn gar nicht vorgelegen hätten.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 03.02.2016 verwiesen.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Buchauszugs für den im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Zeitraum ist verjährt.
1. Die Verjährungsregelung in § 12 des Handelsvertretervertrags ist wirksam.
a)Das LG hat gemeint, es komme nicht darauf an, ob es sich hierbei um eine von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung oder eine Individualvereinbarung handele, weil dieser Vertragsbestimmung in jedem Fall die Gültigkeit abzusprechen sei. Dieser Einschätzung folgt der Senat nicht.
aa)Als Allgemeine Geschäftsbedingung kann die Klausel aus den vom LG aufgeführten Gründen keinen Bestand haben. Nach dem Vertragswortlaut werden auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung von der kurzen Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 des Vertrags erfasst, weil diese nicht ausdrücklich ausgenommen sind. Dies verstößt gegen § 202 Abs. 1 BGB. Die pauschale Herausna...