Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 07.06.2019; Aktenzeichen 24 O 322/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 07.06.2019, Az. 24 O 322/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 11.347,36 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Betrugs im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs.

Der Kläger kaufte am 5. Februar 2016 bei der V. GmbH für 18.000,00 EUR ein gebrauchtes Kraftfahrzeug VW Passat 2.0 TDI. Das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug ist mit dem Motor EA 189 ausgestattet.

Das Fahrzeug ist von der Problematik betroffen, die in der Öffentlichkeit unter den Schlagworten "Abgasskandal" oder "Dieselskandal" diskutiert wird.

Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs wie zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger eine EG-Typgenehmigung vor. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung; diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus 1, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ, also unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr, wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben.

Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der Beklagten den Rückruf von 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Das KBA ordnete an, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen.

Im Jahr 2016 erließ das KBA für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp eine Freigabebestätigung, nach welcher ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge herzustellen.

Das Software-Update wurde bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug durchgeführt.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger Schadensersatz u.a. wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Betrugs durch die Beklagte. Er verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises von 18.000,00 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Ferner macht er Zinsen gemäß § 849 BGB, die Feststellung des Annahmeverzugs und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 6.652,64 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt. Ferner hat es festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet, und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 650,34 EUR nebst Zinsen zu erstatten.

Die Beklagte hafte dem Kläger gemäß §§ 831, 826 BGB auf Schadensersatz. Dem Kläger sei ein Vermögensschaden entstanden, der auf eine sittenwidrige Handlung von Verrichtungsgehilfen der Beklagten zurückzuführen sei. Der Kläger müsse sich kein Mitverschulden anrechnen lassen. Die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass der Kläger bei Abschluss des Kaufvertrags Kenntnis von der Steuerungssoftware und von der fehlenden Zulassungsfähigkeit seines Fahrzeugs erlangt hätte. Im Wege des Vorteilsausgleichs habe der Kläger das erworbene Fahrzeug und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Diese beliefen sich auf 4.694,72 EUR.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Urteil wird von beiden Parteien mit der Berufung angegriffen.

Der Kläger erstrebt mit seiner Berufung eine Erhöhung der Hauptsacheforderung um 4.694,72 EUR. Er müsse sich keine Gebrauchsvorteile anrechnen lassen. Zudem habe er Anspruch auf Deliktszinsen gemäß § 849 BGB.

Der Kläger beantragt zuletzt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 07.06.2019, Az. 24 O 322/18, die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klägerin weitere 4.694,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent seit dem 05.12.2016 bis zum 06.12.2018 aus dem Betrag von EUR 18.000,00 und seither nebst fünf Prozentpunkten üb...

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