Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 15.08.2019; Aktenzeichen 29 O 449/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15.08.2019, Az. 29 O 449/18, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 19.991,82 EUR festgesetzt.
Gründe
I. 1. Der Kläger verlangt von der Herstellerin eines von ihm am 27.05.2016 erworbenen Personenkraftwagens Schadensersatz, da das Fahrzeug vom sogenannten "Abgasskandal" betroffen ist.
Der Kläger hat aufgrund schriftlicher Bestellung vom 27.05.2016 bei der Fa. Autohaus ... GmbH & Co. KG in D. Gebrauchtwagen VW Touran Comfortline BMT, FIN: ..., Erstzulassung 09.03.2015, bei einem Kilometerstand von 25.000 km zum Kaufpreis von 23.500,00 EUR (brutto) erworben (Anlage K 1, Bl. 73). Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Beklagten der Baureihe EA 189 ausgestattet und unterliegt der Schadstoffnorm Euro 5. Die Beklagte hat eine Übereinstimmung des Fahrzeugs mit einer vorliegenden EG-Typgenehmigung bestätigt.
Die Motorsteuerung des Fahrzeugs war mit einer Software ausgestattet, die erkannt hatte, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand den "Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) zur Ermittlung des Abgasausstoßes durchfahren hat. (Nur) In diesem Fall wurde die Abgasrückführung erhöht und der Schadstoffausstoß, insbesondere von Stickoxiden (NOx), vermindert ("Modus 1"). Die gesetzlichen Grenzwerte wurden in diesem Modus eingehalten. Bei "normalem Straßenbetrieb" war die erhöhte Abgasrückführung nicht aktiviert, der Schadstoffausstoß war höher ("Modus 0").
Die Beklagte hatte am 22.09.2015 eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG veröffentlicht, wonach bei weltweit rund 11 Millionen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei, sie mit Hochdruck daran arbeite, die Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen und dazu in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) stehe. Das KBA hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2015 verpflichtet, die Motorsteuerung der Fahrzeuge mit den Motoren EA 189 nach Euro 5 dahin anzupassen, dass die Unterscheidung zwischen dem Prüfstandsmodus und dem Alltagsbetrieb entfällt. Der Kläger hat am 19.10.2016 eine vom KBA genehmigte "technische Maßnahme" (Softwareupdate, ggf. mit kleineren technischen Anpassungen) an seinem Fahrzeug durchführen lassen, durch das die Motorsteuerung in einem adaptierten Modus betrieben wird. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 14.12.2018 hat der Kläger die Beklagte zum Schadensersatz durch Ankauf des Fahrzeugs ohne Nutzungsentschädigung bis 20.12.2018 aufgefordert (Anlage K 12, Bl. 257 ff.).
Mit seiner Klage vom 20.12.2018 hat der Kläger geltend gemacht, ihm stünden gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, 826, 31, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB bzw. § 27 EG-FGV, § 831 BGB zu. Die Beklagte habe das Fahrzeug mit einer nicht erlaubten Abschalteinrichtung i. S. v. Art. 5 EG-VO 715/2007 ausgestattet, vor deren gesetzeswidriger Verwendung die Fa. B., welche die Software ursprünglich für Testzwecke entwickelt habe, bereits 2007 ausdrücklich gewarnt habe. Der Vorstand und weitere Mitarbeiter der Beklagten hätten Kenntnis vom Einsatz der unzulässigen Software gehabt. Für den Kläger, für den die Werbung der Beklagten mit der besonderen Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugtyps ein besonders schlagendes Kaufargument gewesen sei, bestehe das Risiko, dass das von ihm gefahrene Fahrzeug mangels einer Genehmigung durch die EU-Typgenehmigung stillgelegt werde. Zudem resultiere aus der Manipulation ein erheblicher Wertverlust des Fahrzeugs. Das von der Beklagten angebotene Software-Update sei nicht geeignet, den Mangel zu beheben. Die Beklagte schulde im Wege des Schadensersatzes eine Zahlung des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitbefangenen Fahrzeugs, außerdem Zinsen aus § 849 BGB in Höhe von 4 % für die Zeit zwischen der Überweisung des Geldes und der Rechtshängigkeit der Klage, anschließend von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Die Beklagte, die eine angebotene Herausgabe des Fahrzeugs abgelehnt hat, befinde sich im Verzug der Annahme. Zudem habe die Beklagte die dem Kläger außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.899,24 EUR nebst Zinsen zu erstatten.
Die Beklagte hat eingewandt, sie sei am Abschluss des Kaufvertrages vom 27.05.2016 nicht beteiligt gewesen. Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger w...