Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abklärung eines Thromboseverdachts war 1995 eine Duplexsonographie vor einer Phlebographie indiziert, weil es sich um eine nicht invasive und damit schonendere Methode handelte.
2. Die Entscheidung, ob bei negativem Ergebnis der Sonographie zusätzlich eine Phlebographie erfolgen soll, obliegt dem überweisenden Arzt und nicht dem Arzt, der die Sonographie durchführt.
Die Revision wurde mit Beschluß vom 20.11.2000 als unzulässig verworfen.
Verfahrensgang
LG Tübingen (Aktenzeichen 8 O 7/97) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 24.03.99 – 8 O 7/97 wird
zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 27.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte Ziff. 2 vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Wert der Berufung |
250.000,00 DM; |
Beschwer des Klägers: |
über 60.000,00 DM. |
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten Ziff. 2 wegen einer ambulant durchgeführten Ultraschalluntersuchung auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Anspruch. Im ersten Rechtszug war noch der Träger des Kreiskrankenhauses R. als Beklagter Ziff. 1 beteiligt.
Der am 03.08.66 geborene Kläger zog sich am 12.09.95 während eines Urlaubs auf den Kanarischen Inseln eine Patellaluxation des rechten Kniegelenks zu. Er wurde dort von einem ortsansässigen Arzt behandelt. Vor dem vereinbarten Ende des Urlaubs am 21.09.95 war ein Rückflug nicht möglich. Am 22.09.95 suchte der Kläger die Chirurgische Gemeinschaftspraxis Dres. R. H. u.a. in R. auf; es waren – neben den fortbestehenden Beschwerden im Kniebereich – Schmerzen im rechten Unterschenkel hinzugetreten. Der ihn behandelnde chirurgische Facharzt Dr. F. vermerkte u.a. eine „deutliche Unterschenkelumfangszunahme re.” im Behandlungsblatt und stellte die Verdachtsdiagnose einer Unterschenkelvenenthrombose rechts. Er ließ eine elastische Wickelung vornehmen und überwies den Kläger an die „Innere Medizin” des Kreiskrankenhauses R. zur Durchführung einer „Konsiliaruntersuchung” (angekreuzt) wegen Verdachts auf eine tiefe Beinvenenthrombose mit der Bitte um „Abklärung Diagnose/Verdacht”.
Dort führte der Beklagte Ziff. 2 nach klinischer Untersuchung des Klägers in B-Bild Technik eine Beinvenensonographie, eine Sonographie des Kniegelenks und der Knieweichteile rechts durch. Zur Vorgeschichte vermerkte der Beklagte: „… jetzt seit wenigen (Tagen) zunehmend Schmerz auch im Bereich der medialen Wadenmuskulatur”. Nach dem erhobenen Befund stellten sich die V. poplitea, die V. saphena parva-Einmündung und alle 3 Unterschenkelvenengruppen als offen und kompressibel dar. Die niedergelegte Beurteilung lautete:
- Kein Nachweis einer tiefen Beinvenenthrombose re., kein Kniegelenkserguß.
- Kein Hinweis für oberflächl. Thrombophlebitis oder Muskelvenenthrombose.
- B-bildsonographisch Verd. auf kleines Hämatom im Bereich des medialen Gastrocnemius (ebendort umschr. Druckschmerz).
Ebenso lautete der Befund im vorläufigen Bericht.
Der Kläger suchte mit diesem Befundbericht gegen 15.00 Uhr erneut die Praxis Dr. H. auf. Der behandelnde Arzt – möglicherweise nicht mehr Dr. F. – ging von einem Ausschluß der Verdachtsdiagnose aus und ordnete eine konservative Behandlung der Luxation mit 10 krankengymnastische Behandlungen, einer Kniebandage sowie Lymphdrainagen an.
Der Zustand des Beines am Untersuchungstag und die weitere Entwicklung sind zwischen den Parteien streitig. Am 25.09.95 erlitt der Kläger gegen 22.00 Uhr einen Erstickungsanfall. Unter der Verdachtsdiagnose einer Lungenembolie wurde er kurz vor Mitternacht in das Kreiskrankenhaus B. eingeliefert. Wegen einer „fulminanten” Lungenembolie nahmen die Ärzte eine Lysetherapie vor. Diese führte zunächst zu einer Besserung des Gesundheitszustands. Eine orientierende Ultraschalluntersuchung der Venen im Bereich zwischen Becken und Kniekehle war ohne Befund geblieben. Am Morgen des 26.09.95 wurde aufgrund neurologischer Auffälligkeiten eine sehr ausgedehnte Hirnmassenblutung festgestellt, worauf die Heparininfusion gestoppt und eine gegenläufige medikamentöse Behandlung mit Protamin eingeleitet wurde. Noch am selben Tag wurde der Kläger in die Universitätsklinik T. verlegt, wo er sich bis zum 06.11.95 auf der Intensivstation befand. Am 27.09.95 erfolgte nach Trepanation und Temporallappenresektion die Ausräumung des Hämatoms. Wegen Verdachts auf einen erneuten Embolieschub erfolgte dort am 01.10.95 eine farbkodierte Dopplersonographie, die ebenfalls ohne thrombotischen Befund blieb. Die am 02.10.95 in der Abteilung für radiologische Diagnostik der Universitätsklinik durchgeführte Phlebographie ergab im Bereich der V. fibularis des rechten Unterschenkels z.T. frische, umflossene, z.T. wandadhärente Thromben und einen atypischen Thrombus aus einem Seitenast.
Der Kläger ist körperlich schwer behindert und auf Pflege Dritter angewiesen. Er leidet unter einer armbetonten spastischen Hemiparese rec...