Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 24.03.2016; Aktenzeichen 11 O 14/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 24.3.2016 (Az.:11 O 14/16), berichtigt durch Beschluss derselben Kammer vom 03.6.2016, unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung abgeändert und zur Klarstellung im Ganzen wie folgt neu gefasst:
1. Der Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, Ordnungshaft zu vollziehen am Bürgermeister der Verfügungsbeklagten, untersagt, den Gemeinderatsbeschluss vom 18.01.2016 über die Vergabe einer Gaskonzession an die N. B. GmbH zu vollziehen und mit dieser einen Gaskonzessionsvertrag für das Gemeindegebiet der Verfügungsbeklagten abzuschließen, bis in einem neuen Auswahlverfahren über die Vergabe der Gaskonzession entschieden ist.
2. Im Übrigen wird der Verfügungsantrag zurückgewiesen.
II. Von den Kosten in beiden Rechtszügen tragen die Verfügungsklägerin ¾ und die Verfügungsbeklagte ¼.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge festgesetzt auf 1.000.000,- EUR.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ein Verbot zur Sicherung ihrer Rechte in zwei Konzessionsvergabeverfahren.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil der 11. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 24.3.2016 (Az.:11 O 14/16), berichtigt durch Beschluss derselben Kammer vom 03.6.2016, Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat, seine Zuständigkeit aus §§ 87, 95 GWB, §§ 32, 17 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 89 Abs. 1 GWB, 13 Abs. 1 Nr. 2 ZuständigkeitsVO Justiz BW bejahend, die beantragte einstweilige Verfügung durch Urteil erlassen und hierzu ausgeführt:
Ein Verfügungsgrund für die vorliegende Leistungsverfügung sei gegeben.
Die Verfügungsklägerin habe einen Verfügungsanspruch aus §§ 33 Abs. 1 S. 1 und 2, 19 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB glaubhaft gemacht. Die Verfügungsbeklagte habe ihre auf dem relevanten Markt als Alleinanbieter marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB (BGH, NVwZ 2014, 807 - Stromnetz Berkenthin) missbräuchlich ausgenutzt (§ 19 Abs. 1 GWB).
Bei beiden Konzessionsvergaben habe die Verfügungsbeklagte sowohl beim Verfahren als auch bei der Auswahlentscheidung gegen das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, 46 Abs. 1 EnWG verstoßen.
Das Stromkonzessionsvergabeverfahren leide an einem Verfahrensfehler, da eine Vorfestlegung der Beklagten zu Gunsten der S. GmbH & Co. KG vorgelegen habe.
Das Diskriminierungsverbot des §§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, 46 Abs. 1 EnWG sei bezüglich des Auswahlverfahrens jedenfalls dann verletzt, wenn an diesem ein Bieter teilnehme, der mit der Gemeinde, die die Wegerechte vergibt, derart eng verbunden sei, dass die Gemeinde einer massiven Interessenkollision ausgesetzt werde, die die konkrete erhebliche Gefahr begründe, dass sie den ihr zustehenden Ermessensspielraum bei der Gestaltung der Vergabekriterien und bei der Auswahlentscheidung aufgrund der engen Verbindung mit diesem Bieter einseitig zu dessen Gunsten ausnutze und hierdurch zugleich die übrigen Bieter in sachlich nicht gerechtfertigter Weise benachteilige. Ob eine derart starke Interessenkollision bestehe, sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer umfassenden Abwägung festzustellen. Grundsätzlich dürften an Verfahren über die Vergabe von Wegerechten auch Unternehmen der Gemeinde teilnehmen und solche, an denen sie beteiligt sei. Anderenfalls würden diese Unternehmen ihrerseits in sachlich nicht gerechtfertigter Form benachteiligt. Anders sei es, wenn sich die Gemeinde über die bloße Beteiligung hinaus mit dem Bieter so eng verbunden habe, dass eine diskriminierungsfreie Auswahl nicht mehr gewährleistet und das Ergebnis des Auswahlverfahrens gewissermaßen "vorprogrammiert" sei.
Die Beklagte habe schon vor der Einleitung des jetzigen Auswahlverfahrens darin eingewilligt und daran mitgewirkt, dass über die bloße Gründung des Gemeinschaftsunternehmens S. GmbH & Co. KG hinaus sämtliche für die geplante Kooperation mit der N. B. GmbH im Rahmen der S. erforderlichen Verträge nicht nur abgeschlossen, sondern trotz der Missbrauchsverfügung der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg vom 28.03.2013 und der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 07.12.2013 bis zum heutigen Tag kontinuierlich praktiziert worden seien.
Hieraus habe die Verfügungsbeklagte erhebliche Gewinne gezogen.
Die Beklagte habe somit gezeigt, dass sie jedenfalls ein Kooperationsmodell mittels der S. verwirklichen wolle, so dass eine allein an sachlichen Kriterien orientierte Auswahlentscheidung nicht mehr gewährleistet und der Ausgang des Auswahlverfahrens zu Gunsten der S. gewissermaßen "vorprogra...