Leitsatz (amtlich)
1. Es liegt kein Dissens vor, wenn sich die Parteien trotz der noch offenen Punkte erkennbar vertraglich binden wollten und sich die bestehende Vertragslücke ausfüllen lässt.
2. Haben die Parteien über die Höhe des Entgelts nichts geregelt, sind bei einem Kaufvertrag §§ 315 ff. BGB anzuwenden. Zur Anwendung der Auslegungsregelung des § 316 BGB und zur Beweislast für die Billigkeit der getroffenen Bestimmung.
Normenkette
BGB §§ 154-155, § 315 ff.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 06.04.2009; Aktenzeichen 10 O 219/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 6.4.2009 - 10 O 219/08 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 6.886,25 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche aus einem Liefer- und Abnahmevertrag betreffend die Traubenernten 2001 bis 2003.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf das Urteil des LG Stuttgart vom 6.4.2009 verwiesen.
Durch dieses Urteil wurde der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 6.886,25 EUR nebst Zinsen nach Vernehmung der Zeugen S. R., H., Ä., W. und D. abgewiesen. Die im Formularvertrag enthaltene Bestimmung zur Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor Erhebung einer Klage
(§ 8 Nr. 3) verstoße gegen das Klarheitsgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und führe zu einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin, weshalb diese nichtig sei. Ein Zahlungsanspruch der Klägerin bestehe nicht. Den Abschluss einer mündlichen Vereinbarung mit dem Inhalt, dass im Verhältnis zwischen den Parteien die Preise der R-Kellerei als Mindestpreise gelten, habe die Klägerin nicht nachzuweisen vermocht. Eine stillschweigende vertragliche Vereinbarung mit diesem Inhalt aufgrund jahrelanger Übung liege nicht vor. Der Umstand, dass die in den Jahren 2001 bis 2003 bezahlte Vergütung unterhalb der von der R-Kellerei gezahlten Entgelte liege, führe nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 BGB. Nach der vertraglichen Vereinbarung über die Vergütung der Klägerin sei das Risiko der Vermarktung der Weine von beiden Seiten zu tragen. Das Verlangen der Klägerin auf Zahlung des Ankaufspreises der R-Kellerei als Mindestpreis im Wege einer Anpassung des Vertrages sei mit dieser Grundkonzeption nicht vereinbar. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Ankaufspreis der R-Kellerei um den angemessenen Preis handele.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie ihren ursprünglichen Zahlungsantrag weiterverfolgt. Sie macht insbesondere geltend, die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage seien vom LG fehlerhaft angewendet worden. Eine Vergütung auf der Basis der von der R-Kellerei gezahlten Preise als Mindestpreis sei zur Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden. Dafür spreche insbesondere die Annonce der Beklagten aus dem Jahr 1999, wonach die Beklagte damit geworben habe, dass "unsere Abrechnungspreise für die vorgenannten Rebsorten nachweislich höher als der Durchschnitt des R. tals" seien, die zum Vertragsabschluss geführt habe (Anlage K 11, Bl. 130 d.A.). Auch aus den Angaben des Zeugen S. könne auf eine entsprechende Geschäftsgrundlage geschlossen werden. Bei den damaligen Vertragsverhandlungen sei über konkrete Preise im Vergleich zum Durchschnitt des R. tals gesprochen worden. Die Vorstellung der Klägerin, die Preise der R-Kellerei als Mindestpreise zu begreifen, sei der Beklagten bekannt gewesen. Tatsächlich habe die Geschäftsgrundlage bezüglich der vereinbarten Preisbildung von Anfang an gefehlt. Die dauerhafte Unterschreitung der Preise der R-Kellerei falle in den Risikobereich der Beklagten. Daher bestehe ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages.
Hilfsweise beruft sich die Klägerin auf einen versteckten Dissens, weil eine Einigung über das Entgelt nicht erzielt worden sei, weshalb § 632 Abs. 2 BGB Anwendung finde, jedenfalls aber §§ 315 f. BGB. Danach stehe der Klägerin das Recht zu, die Gegenleistung zu bestimmen. Im Fall eines nichtigen Vertrages bestehe ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsanbahnung (§§ 311, 280 BGB).
Die Klägerin stellt den Antrag:
Das Urteil des Einzelrichters des LG Stuttgart vom 6.4.2009 - 10 O 219/08 - wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 6.886,25 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p.a. ab dem 1.8.2008 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und hebt hervor, es seien keine Mindestpreise zur vertraglichen Geschäftsgrundlage geworden. Bei den diesbezüglichen Vorstellungen des Zeugen S. habe es sich um einseitige Erwartungen gehandelt. Das Risiko der Vermarktung sei von beiden Seiten z...