Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 16.03.2018; Aktenzeichen 14 O 235/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.03.2018, Az. 14 O 235/17, abgeändert:

a. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu 50% zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des Herrn R. S. A., geboren am ..., E.straße, 7... A., am 18.08.2014 gegen 16:50 Uhr in der B. Straße in 7. S. entstanden sind und noch entstehen werden.

b. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Haftungsfolgen aus einem Verkehrsunfall vom 18.08.2014 auf der B. Straße in S..

Die Klägerin ist Arbeitgeberin des Zeugen ... Der Zeuge A. befuhr am 18.08.2014 gegen 16:50 Uhr mit seinem Motorrad die B. Straße aus Richtung der L.straße und bog nach rechts in die Stichstraße der B. Straße ab, aus welcher sich der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Fahrzeug näherte. Der Zeuge A. kam mit seinem Motorrad zu Fall und erlitt durch den Unfall eine Sprunggelenksfraktur rechts, eine Prellung des rechten Knies und zog sich Schürfwunden zu. Die Klägerin erbrachte an den Zeugen A. Entgeltfortzahlungen in Höhe von unstreitig 17.834,16 EUR. Die Beklagte zu 2 hat den Unfall auf der Basis einer Haftungsquote von 50% reguliert und Zahlungen in Höhe von 8.917,08 EUR erbracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Haftungsabwägung führe zu einer vollen Einstandspflicht der Beklagten.

Die Beklagten beantragen,

das am 16.03.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Stuttgart, Az. 14 O 235/17 dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.

hilfsweise

das am 16.03.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Stuttgart, Az. 14 O 235/17 aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Stuttgart zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Akten der Staatsanwaltschaft Stuttgart, Az. 64 Js 85272/14, waren beigezogen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen R. S. A. und durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) B. W.. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21.11.2018 Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet.

1. Hinsichtlich des klägerischen Zahlungsantrags war die Klage abzuweisen, weil der klägerische Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 StVO, §§ 7, 17, 18 StVG - bezüglich der Beklagten Ziff. 2 i. V. m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG - jeweils in Verbindung mit § 6 Abs. 1 EZFG aufgrund einer hälftigen Mithaftung des Zeugen A. nur in Höhe von 50% des entstandenen Schadens, d.h. nur in Höhe von 8.917,08 EUR bestand und in dieser Höhe von der Beklagten Ziff. 2 bereits reguliert ist.

a. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Verkehrsunfall bei dem Betrieb der unfallbeteiligten Fahrzeuge im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG verursacht wurde. Dem steht nicht entgegen, dass es sich um einen sog. berührungslosen Unfall handelt, denn das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" umfasst alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe (vgl. BGH, Urt. v. 26.04.2005 - VI ZR 168/04; BGH Urt. v. 21.09.2010 - VI ZR 263/09; BGH Urt. v. 22.11.2016 - VI ZR 533/15).

b. Der Beweis für das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG wurde von keiner Partei erbracht. Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat vielmehr ergeben, dass der Verkehrsunfall auf einen Pflichtverstoß sowohl des Beklagten Ziff. 1 als auch des Zeugen A. zurückzuführen ist. Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) B. W. ist anhand zutreffender Anknüpfungstatsachen zu der plausiblen Schlussfolgerung gekommen, dass der Beklagte Ziff. 1 sein Fahrzeug im Bereich der gedachten Fahrbahnmittelinie bewegt und hierdurch die dem Zeugen A. zur Verfügung stehende Fahrbahn verengt hat. Aus diesen Feststellungen, die der Senat sich zu eigen macht, und aus den in der beigezogenen Ermittlungsakte enthaltenen Fotos von der Unfallendstellung ergibt sich ein leichter Verstoß des Beklagten Ziff. 1 gegen das Rechtsfahrgebot aus § 2 Abs. 2 StVO.

Hinsichtlich des Zeugen A. hat der Sachverständige festgestellt, dass von einer gefahrenen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt der Einl...

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