Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 20 O 426/1988) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27.11.1990 - 20 O 426/88 - wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 15.000,00 DM
Wert der Beschwer für die Beklagten: unter 60.000,00 DM
Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Gründe
I. Die Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig (§§ 511, 511a ZPO); sie ist insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO).
II. In der Sache hat die Berufung indessen keinen Erfolg.
Der Senat tritt dem angefochtenen Urteil darin bei, daß die Beklagten dem Kläger wegen schwerwiegender Verstöße gegen ihre ärztlichen Sorgfaltspflichten zur Zahlung eines Schmerzensgelds nach den Grundsätzen der Haftung bei groben Behandlungsfehlern in Höhe von 15.000,- DM verpflichtet sind (§§ 823, 847 BGB).
1. Die Beklagten waren entsprechend dem gemeinsam mit dem Kläger festgelegten Therapieplan verpflichtet, die ärztlich erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig und vollständig zu treffen, die statt der Fortführung weiterer Dialyse-Behandlung möglichst kurzfristig die ärztlich indizierte und vorgesehene Transplantation einer Spenderniere gewährleistet hätten. Zu Recht stellt das angefochtene Urteil fest, daß die Beklagten diese Behandlungspflichten in mehrfacher und schwerwiegender Weise vernachlässigt haben.
Die Beklagten waren zunächst aufgrund ihrer Pflichten zu gehöriger Organisation der Abläufe ihrer Praxis und zur Koordinierung des konkreten Behandlungsablaufs gehalten, durch geeignete Vorkehrungen dafür zu sorgen, daß ihnen der DSA-Untersuchungsbefund vom 6.3.1985 zur Kenntnis gelangte, in seinem medizinischen Befund und seiner Bedeutung für die Gewährleistung rascher Transplantation ärztlich bewertet und dem Transplantationszentrum ... umgehend zur Kenntnis gebracht wurde. Gegenüber dem Transplantationszentrum... oblag ihnen als den für die Therapie des Klägers verantwortlichen Ärzten, die Durchführung der DSA-Untersuchung zu veranlassen, deren Ergebnisse zu kontrollieren und dem Transplantationszentrum zugänglich zu machen. Nach dem feststehenden Sachverhalt haben die Beklagten die Pflicht, den ihnen alsbald zugegangenen DSA-Untersuchungsbefund vom 6.3.1985 zur Kenntnis zu nehmen und an das Transplantationszentrum weiterzuleiten, nicht beachtet.
Ferner steht fest, daß die Beklagten in der Folge über einen Zeitraum von immerhin zwei Jahren hinweg verabsäumt haben, die ihnen in vierteljährlichem Turnus zugehenden Listen des Transplantationszentrums ... in denen der Kläger jeweils in der Kategorie U 3 geführt worden war, daraufhin zu überprüfen, ob und welche der für die Einstufung in die Kategorie U 2 vorausgesetzten ärztlichen Vorbefunde noch ausstanden mit der Folge, daß spätestens auf die Transplantationslisten hin jedenfalls jetzt dem - aus der Sicht der Beklagten - noch ausstehenden DSA-Untersuchungsbefund nachgegangen worden wäre und sein Ergebnis dem Transplantationszentrum hätte nachgemeldet werden können.
Dieses Verhalten der Beklagten - in Kenntnis immerhin des unstreitigen Umstandes, daß der Kläger auf Anordnung der Beklagten zur DSA-Untersuchung bereits vorgestellt worden war - ist aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich und verantwortbar.
Zu Recht bewertet das Landgericht das Verhalten der Beklagten insgesamt als grob behandlungsfehlerhaft.
Ob sich ein Behandlungsfehler in Gewicht und Bedeutung des ärztlichen Pflichtenverstoßes als grob darstellt, erfordert eine rechtliche Bewertung, die das Gericht aufgrund der ihm unterbreiteten Fakten im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Behandlungsgeschehens und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu treffen hat (BGH v. 08.03.1988 - VI ZR 201/87 - VersR 1988, 495 = NJW 1988, 1511; BGH v. 10.11.1987 - VI ZR 39/87 - VersR 1988, 293, 294 = NJW 1988, 1523 = MedR 1988, 143 = AHRS Kza 029/22). Das festgestellte Fehlverhalten der Beklagten erscheint dem Senat aus objektiver ärztlicher Sicht als nicht mehr verständlich und verantwortbar, weil ein solcher Fehler dem Arzt "schlechterdings nicht unterlaufen darf". In der Bewertung des Verhaltens der Beklagten als grob fehlerhaft steht dabei dem Senat nicht die subjektive Vorwerfbarkeit im Vordergrund, sondern der - allein maßgebliche - Umstand, daß das ärztliche Verhalten der Beklagten eindeutig gegen gesicherte und bewährte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen verstieß (BGH v. 26.11.1991 - VI ZR 389/ 90 BGH v. 03.12.1985 - VI ZR 106/84 - VersR 1986, 366 = AHRS 6551/10).
2. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, daß die Beklagten, weil ihnen ein grober Behandlungsfehler zur Last fällt, die Beweislast dafür zu tragen haben, daß dem Kläger die in der Zeit von April 1985 bis zum Zeitpunkt der Aufnahme in der Dringlichkeitskategorie U 2 erlittenen körperlichen und seelischen Verletzungen auch dann erwachsen wären, wenn die Beklagte...