Verfahrensgang
LG Rottweil (Aktenzeichen 3 O 209/90) |
Tatbestand
Der Kläger macht in Form von Feststellungs- und Schmerzensgeldanträgen Schadensersatzansprüche geltend mit der Behauptung fehlerhafter ärztlicher Behandlung durch den Beklagten am Abend des 17. 07. 1988.
Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe einen groben Behandlungsfehler begangen, indem er ihn unzureichend untersucht und hierdurch das Vorliegen einer Meningitis verkannt habe. Dem Beklagten seien als Folge dieses Fehlverhaltens die durch die verkannte Meningitis verursachten Gesundheitsschäden des Klägers anzulasten, insbesondere dessen nahezu vollständige Erblindung.
Der am 17.07.1979 geborene Kläger machte im Juli 1988 Urlaub mit seinen Eltern auf einem Campingplatz in der Nähe von Castellon (Spanien). Am frühen Morgen des 16.07.1988 gegen 5.00 Uhr stellte die Mutter des Klägers bei ihm hohes Fieber fest (41°). Das Fieber war begleitet von Kopf- und Genickschmerzen. Der Kläger mußte zudem ständig erbrechen.
Zusammen mit seiner spanisch sprechenden Mutter suchte der Kläger noch an diesem Morgen einen Arzt im Krankenhaus in Castellon auf. Dieser diagnostizierte eine Angina und verordnete vier Penicillingaben in einer Menge von 1,2 Mio. Einheiten pro Tag. Dem Kläger sollten somit vier Penicillinspritzen über zwei Tage (täglich 2 x 600.000 Einheiten) verabreicht werden. Die erste Spritze wurde noch im Krankenhaus in Castellon injiziert.
Die zweite Spritze erhielt der Kläger am Abend des 16.07.1988 durch einen Arzt auf dem Campingplatz sowie eine weitere Spritze gegen das Erbrechen.
Am Abend des 16.07.1988 trat der Kläger zusammen mit seinen Eltern die Heimreise nach an. Der Kläger wurde liegend im Wohnmobil transportiert.
Die dritte Penicillininjektion verabreichte am Morgen des 17.07.1988 in Montelimar (Frankreich) auf einer Autobahnraststätte ein herbeigerufener Arzt. Dieser verordnete zusätzliche Medikamente u.a. ein breitwirkendes Antibiotikum (Clamoxyl). Die Mutter des Klägers gab ihm diese Medikamente jedoch nicht mehr, sondern nur noch Fieberzäpfchen. Der Kläger konnte an diesem Morgen des 17.07.1988 nicht mehr gehen und mußte von seinem Vater getragen werden. Während der weiteren Heimfahrt nach Horb litt er unter heftigen Kopfschmerzen und erbrach ständig.
Nach der Ankunft in suchte der Kläger mit dem Ziel, die vierte Penicillininjektion zu erhalten, zusammen mit seiner Mutter den Beklagten auf. Der Beklagte versah an diesem Abend den ärztlichen Notdienst. Die Mutter des Klägers schilderte den bisherigen Krankheitsverlauf mit den aufgetretenen Symptomen. Sie äußerte hierbei - wie bereits zuvor bei der telefonischen Ankündigung des Arztbesuches - den Verdacht auf eine Hirnhautentzündung.
Aufgrund einer im Umfang streitigen Untersuchung des Klägers hielt der Beklagte in seinem Krankenblatt über den ärztlichen Notfalldienst fest: ›fieberhafte Tonsillitis (?)‹.
Er verweigerte die von der Mutter des Klägers erbetene vierte Penicillinspritze, die er nur auf deren Verantwortung hin verabreichen wollte. Er verordnete noch verschiedene Medikamente zur Kräftigung der Widerstandsfähigkeit und gegen Übelkeit.
Am frühen Morgen des 18.07.1988 gegen 6.30 Uhr wurde der Kläger von seinen Eltern in das Hospital in verbracht. Dort wurde als klinischer Befund festgehalten:
›9-jähriger, bewußtloser Junge, lebhafte Muskeleigenreflexe, weite, lichtstarre Pupillen, regelmäßige, tiefe Atmung. Herztöne rein und rhythmisch. RR 160/90, mm HG, Puls ca. 140/min., rektale Temperatur 39,5°.‹
Nach Anlage eines venösen Zugangs und Zufuhr von Elektrolytlösung wurde der Kläger nach telefonischer Rücksprache mit dem Hingergrunddienst gegen 7.00 Uhr notärztlich in die Kinderabteilung des Kreiskrankenhauses Freudenstadt verlegt. In dem Aufnahmebefund wurde u.a. dokumentiert: ›Bewußtloser 9 Jahre alter Junge, krampfend mit Stricksynergismen weite lichtstarre Pupillen, auf fallende Hyperventilation, diskrete Hautblutungen an den unteren Extremitäten‹. Die dortige Aufnahmediagnose lautete auf ›Meningoencephalitis-Meningokokken‹. Der Kläger wurde unmittelbar nach der Aufnahme intubiert und beatmet sowie auf die chirurgische Intensivstation übernommen. Es folgte eine antibiotische Behandlung mit Rocephin nach Nachweis von Meningokokken. Gleichzeitig erhielt der Kläger fiebersenkende und sedierende Mittel sowie Flüssigkeit zugeführt. Nach zunehmender Stabilisierung wurde der Kläger am 20.07.1988 extubiert und am 21.07.1988 auf die Kinderstation verlegt.
Nachdem profuse Gastrointestinal-Blutungen auftraten einhergehend mit einem starken HB-Abfall und einer Schocksymptomatik, verlegte man den Kläger am 29.07.1988 in die Universitätsklinik Tübingen zur Verhütung eines Geschwürs am Zwölffingerdarm. Am 28.10.1988 folgte schließlich die Entlassung aus der Universitätsklinik.
Als Folge der schweren Meningoencephalitis verblieb beim Kläger eine Amaurose, mit rechts noch verbleibender Hell-Dunkelwahrnehmung. Weiterhin leidet der Kläger an einer links betonten spastischen Bewegungsstörung im Be...