Verfahrensgang

LG Hechingen (Urteil vom 03.02.2015; Aktenzeichen 1 O 375/13)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Hechingen - 1 O 375/13 - vom 3.2.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet

4. Die Revision wird zugelassen.

Berufungsstreitwert: 64.628,32 Euro

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten genommenen Krankentagegeldversicherung geltend, der die MB/KT 2008 zugrunde liegen.

Zuletzt war die Klägerin hauptberuflich als Dermatologin in einer Gemeinschaftspraxis tätig, in der sämtliche chirurgische Eingriffe sowie manuellen kosmetischen Behandlungen von der Klägerin selbst durchgeführt wurden. Aufgrund einer Hirnblutung im April 2007 ist ihr die Durchführung dieser Eingriffe und Behandlungen selbst nicht mehr möglich, so dass eine grundlegende Umstrukturierung der Praxis beabsichtigt war. Die Klägerin sollte nur noch Beratungen, klinische Untersuchungen, allergologische Behandlungen, Gutachtenerstellungen sowie aufsichtführende Anleitungen von Ausbildungsassistenten durchführen. Im Jahr 2009 wurde mit der Kassenärztlichen Vereinigung und der Praxispartnerin der Klägerin eine Halbierung des Kassenarztsitzes sowie die Abgabe der Hälfte der Patienten an einen Nachfolger vereinbart, dessen Suche sich in der Folge allerdings schwierig gestaltete und erst Ende 210 gelang. Für Januar 2011 war mit der Kollegin die Wiederaufnahme der kassenärztlichen Tätigkeit im geänderten Umfang geplant. Im Dezember 2010 erlitt die Klägerin jedoch eine Gallenkolik, so dass die Wiederaufnahme der Tätigkeit vorerst nicht möglich war. Zudem zog die Klägerin sich im April 2011 eine Schultergelenksläsion und eine Fraktur des Daumengrundgelenks zu.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 14.10.2010 die Beendigung der Krankentagegeldversicherung sowie die Einstellung der Krankentagegeldzahlungen zum 18.11.2010 wegen vorliegender Berufsunfähigkeit i.S. von § 15 Abs. 1 lit. b MB/KT 2008 an.

Von der ärztlichen Versorgungsanstalt erhält die Klägerin seit dem 1.10.2011 ein "Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit". Für den Zeitraum vom 19.11.2010 bis zum 30.9.2011 begehrt sie nunmehr die Zahlung eines Krankentagegeldes von insgesamt 64.628,32 Euro (316 Tage à 204,52 Euro) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2010.

In erster Instanz hat die Klägerin vorgebracht, sie sei im streitgegenständlichen Zeitraum zu 100 Prozent im Beruf einer operierenden Dermatologin arbeitsunfähig krank gewesen. Allerdings gehe die Beklagte zu Unrecht von einer Berufsunfähigkeit aus. Abzustellen sei auf das allgemeine Berufsbild und nicht auf die zuletzt von ihr ausgeübte Tätigkeit. Sie könne ihre berufliche Tätigkeit als Dermatologin in einer Gemeinschaftspraxis - auch ohne eigene Durchführung von Operationen und entsprechend der bereits eingeleiteten Umstrukturierungsmaßnahmen - im Rahmen des entsprechenden Berufsbildes in absehbarer Zeit wieder ausüben. Diese Tätigkeitsmöglichkeit müsse im Rahmen der Berufsunfähigkeitsprognose hinreichende Berücksichtigung finden; abzustellen sei insofern auf das allgemeine Berufsbild und nicht auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Auch ohne operative Tätigkeit könne sie Patienten vollwertig in der Praxis behandeln. Insbesondere beratende und gutachterliche Tätigkeiten, bei denen sensomotorische Fertigkeiten keine wesentliche Rolle spielten, seien ihr durchaus noch möglich. Überdies liege auch bezogen auf das konkrete Berufsbild ihrer bisherigen Tätigkeit (vgl. dazu insbesondere GA I 95 ff.) eine Berufsunfähigkeit nicht vor.

Die Beklagte hat in erster Instanz geltend gemacht, die Klägerin sei berufsunfähig. Maßgeblich sei, ob eine Erwerbsunfähigkeit zu mehr als 50 Prozent im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit bestehe. Abzustellen sei dabei nicht auf das abstrakte Berufsbild, sondern auf die bisher konkret ausgeübt berufliche Tätigkeit als operierende Hautärztin. Hilfsweise sei auch zu bestreiten, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum durchgehend zu 100 Prozent arbeitsunfähig gewesen sei.

Wegen des Weiteren Vortrages der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand des dortigen Urteils verwiesen.

Das LG hat Beweis zur Frage der Arbeits- und Berufsunfähigkeit der Klägerin erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (GA I 130 ff.) nebst eines Zusatzgutachtens (GA I 139 ff.).

Das Erstgericht hat die Klage mit Urteil vom 3.2.2015, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei leistungsfrei nach § 15 Abs. 1 ...

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