Leitsatz (amtlich)
1. Macht ein Anleger, der sich als atypisch stiller Gesellschafter an einer Aktiengesellschaft beteiligt hat, geltend, er könne Schadensersatz wegen fehlerhafter Aufklärung vor Vertragsschluss verlangen, so rechtfertigt dies keinen Zahlungsanspruch, der unmittelbar auf Rückzahlung der Einlage und des zusätzlich gezahlten Agios gerichtet ist. Nach den Grundsätzen über die Behandlung einer fehlerhaften Gesellschaft gibt ihm dies lediglich das Recht, fristlos zu kündigen, mit der Folge, dass er Auszahlung eines etwaigen Guthabens auf der Grundlage einer Auseinandersetzungsbilanz nach § 235 HGB verlangen kann.
2. Entsprechendes gilt, wenn sich der stille Gesellschafter darauf beruft, der Vertrag sei wegen seiner fehlenden Eintragung ins Handelsregister als Teil-Gewinnabführungsvertrag schwebend unwirksam gewesen und von ihm wirksam widerrufen worden.
Normenkette
HGB §§ 232, 235
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 37 O 135/01 KfH) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 37. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 3.4.2002 – 37 O 135/01 KfH abgeändert:
a) Die Beklagte wird verurteilt, Auseinandersetzungsbilanzen zum 31.12.2001 für sämtliche atypisch stillen Beteiligungen des Klägers – Vertragsnummern 129818 sowie 129819 – nach Maßgabe von § 12 der Beteiligungsverträge zu erstellen.
b) Die Klage wird mit dem Hauptantrag abgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung eines Betrags verurteilt worden ist, der über 920,33 Euro zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 15.12.2001 hinausgeht.
2. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der beklagten Aktiengesellschaft die Rückzahlung von Beträgen, die er an die Beklagte auf der Grundlage zweier Verträge über stille Beteiligungen geleistet hat.
Der Kläger zeichnete am 10.7.2000 eine Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter i.H.v. 20.000 DM zzgl. 7 % Agio (= 1.400 DM); der Beteiligungsantrag wurde vom Vorstand der Beklagten am 13.7.2000 gegengezeichnet (Vertrags-Nr. 129818; Anl. K 3). Den Gesamtbetrag von 21.400 DM hat der Kläger bezahlt.
Ebenfalls am 10.7.2000 unterschrieb der Kläger einen weiteren Zeichnungsschein über eine kombinierte Beteiligung als typisch und atypisch stiller Gesellschafter, der ebenfalls am 13.7.2000 vom Vorstand der Beklagten angenommen wurde (Anl. K 5). Danach sollte auf die atypisch stille Beteiligung (Vertrags-Nr. 129819) ein Betrag von 4.320 DM geleistet werden. Auf die typisch stille Beteiligung (Vertrags-Nr. 129820) war für die Dauer von 180 Monaten ein Betrag von je 200 DM, insgesamt also 36.000 DM zu zahlen. Auf den Gesamtbetrag von 40.320 DM schuldete der Kläger außerdem 7 % Agio, also 2.822 DM. Gezahlt hat der Kläger den Betrag von 4.320 DM auf die atypisch stille Beteiligung, ferner 1.000 DM als Einmalbetrag auf die typisch stille Beteiligung und 9 mal 200 DM, insgesamt also 1.800 DM auf das Agio zur typisch stillen Beteiligung.
Das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen (künftig: BAKred) hatte bereits Mitte 1999 die von der Beklagten angebotenen stillen Beteiligungen beanstandet. Mit Bescheid vom 11.7.2000 erließ das BAKred u.a. eine Abwicklungsanordnung nach § 37 KWG (auszugsweise vorgelegt Bl. 72 ff.; Eingangsvermerk 12.7.2000). Im Frühjahr 2001 wurde vom BAKred ein Abwickler zur Rückabwicklung der stillen Beteiligungen eingesetzt (Schreiben vom 10.1.2001 an den Kläger, Bl. 49). Der Kläger erhielt im April 2001 seine Einzahlung von 1.000 DM zurückgezahlt.
Mit Anwaltsschreiben vom 23.5.2001 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung auch der übrigen geleisteten Beträge auf. Er begründete dies damit, dass er über eine Erlaubnispflicht der Einlagengeschäfte nicht informiert und über das Verlustrisiko, das auch durch die Rückzahlungen infolge der Anordnung des BAKred gestiegen sei, unzureichend aufgeklärt worden sei, weshalb die Beklagte, die sich das Verschulden ihres Vertriebspartners zurechnen lassen müsse, schadensersatzpflichtig sei. Außerdem habe die Beklagte die Eintragung der Beteiligungen als Teil-Gewinnabführungsverträge in das Handelsregister nicht veranlasst, weshalb das Vertrauensverhältnis zur Beklagten gestört sei und die Beteiligung rückabzuwickeln sei. Vorsorglich setzte er der Beklagten eine Frist bis 20.6.2001 zur Eintragung ins Handelsregister und kündigte für den Fristablauf die Ablehnung dieser Leistung und die Geltendmachung von Schadensersatz an (Anl. K 9, Bl. 50 ff.). Die Beteiligungsverträge sind im Handelsregister nicht eingetragen.
Der Kläger hat im Dezember 2001 Klage erhoben und die Rückzahlung von zuletzt 27.520 DM zzgl. Zinsen verlangt.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen Vorbringens und der von den Parteien dargestellten Rechtsansichten wird auf das Urteil des LG vom 3.4.2002 Bezug genommen.
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Für das Agio zur typisch stillen Beteiligung folge das aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, nachdem diese Einlage infolge ...