Entscheidungsstichwort (Thema)
Der Fall war Gegenstand der Entscheidung des EuGH vom 19.12.2013 (C-209/12, VersR 2014, 225) und des BGH vom 7.5.2014 (IV ZR 76/11)
Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherungsvertreter, der das Recht zum Widerspruch bei Abschluss eines Versicherungsvertrages kennt, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er sich nach Jahren auf sein Recht zum Widerspruch beruft, weil das ihm übersandte Policenbegleitschreiben keinen drucktechnisch hervorgehobenen Hinweis auf dieses Widerspruchsrecht enthalten habe.
Normenkette
VVG a.F. § 5a; BGB §§ 242, 812
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 13.07.2010; Aktenzeichen 22 O 587/09) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 13.7.2010 - 22 O 587/09 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten des Revi-sionsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert:
bis 20.10.2014: 22.272,56 EUR
danach: 5.211,04 EUR
Gründe
I. Die Berufung des Klägers richtet sich - nach der Zurückverweisung durch den BGH - noch gegen das Urteil des LG Stuttgart soweit hierdurch seine Ansprüche auf bereicherungsrechtlicher Grundlage abgewiesen worden waren.
Mit Wirkung zum 1.12.1998 schloss der Kläger - der zum damaligen Zeitpunkt und bis Ende 2006 als Versicherungsvertreter gem. §§ 84 ff. HGB für die Beklagte tätig war - bei der Beklagten eine Kapital-Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung ab. Es wurde eine jährliche Beitragszahlung i.H.v. damals 20.000 DM (entspricht 10.225,84 EUR) vereinbart. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Anlage K 3, Bl. 27 ff. d.A.) und die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. erhielt der Kläger erst mit dem Versicherungsschein und einem Begleitschreiben vom 17.11.1998 (vgl. Bl. 209 ff. d.A.: Reproduktion der bei der Beklagten digital gespeicherten Vertragsunterlagen).
Der Kläger hat für die Jahre 1998 bis 2002 jeweils die jährlichen Beiträge geleistet. Mit Mitteilung vom 5.12.2002, 9.45 Uhr (Anlage BLD 9, Bl. 253 d.A.), hat der Kläger bei der Beklagten die beitragsfreie Weiterführung des Vertrages beantragt und um Rücküberweisung des letzten Jahresbeitrages gebeten.
Im Jahre 2004 nahm der Kläger einen Änderungsvorschlag der Beklagten vom 14.9.2004 (Bl. 357 ff. d.A.) mit Erklärung vom 17.9.2004 (Bl. 361 d.A.) an und leistete für die Zeit vom 1.12.2002 bis 30.11.2003 einen weiteren Jahresbeitrag i.H.v. 10.225,84 EUR. Insgesamt zahlte der Kläger Prämien i.H.v. 51.129,20 EUR (vgl. Anlage K 1, Bl. 24 d.A.).
Am 1.6.2007 kündigte der Kläger den Vertrag zum 31.8.2007 und die Beklagte zahlte am 14.9.2007 einen Rückkaufswert i.H.v. 52.705,05 EUR (vgl. Anlage 1, Bl. 62 d.A. bzw. Anlage BLD 4, Bl. 327 f. d.A.) aus, wobei unstreitig keine Stornokosten abgezogen wurden.
Mit Anwaltsschreiben vom 31.3.2008 erklärte der Kläger der Beklagten gegenüber den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. sowie den "Widerruf" und forderte die Beklagte zur Rückerstattung der unbezifferten Beiträge und Zinsen auf (Anlage K 5, Bl. 41 ff. d.A.).
Erstinstanzlich hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass kein wirksamer Vertrag zustande gekommen sei, weil § 5a VVG a.F. gegen Europarecht verstoße. Zudem sei der Vertrag nach § 306 Abs. 3 BGB unwirksam, weil die wesentlichen Vertragsklauseln überraschend und mehrdeutig und darüber hinaus intransparent seien. Aufgrund der Europarechtswidrigkeit des § 5a VVG sei das Widerspruchsrecht nicht erloschen. Dieses sei aufgrund der vorangegangenen Kündigung auch nicht ausgeschlossen. Die Kündigungserklärung sei in einen wirksamen Widerspruch umzudeuten. Erstinstanzlich hatte der Kläger auch einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss sowie hilfsweise eine Stufenklage auf Auskunft und noch zu beziffernde Zahlung geltend gemacht. Als Hauptanspruch hat der Kläger aufgrund seiner Zinsberechnung (Anlage K 2, Bl. 25f d.A.) und unter Berücksichtigung der nach der Kündigung erhaltenen Zahlung einen restlichen Zahlungsanspruch i.H.v. 22.272,56 EUR gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
Die Beklagte ist der Klage erstinstanzlich entgegengetreten mit dem Hinweis darauf, dass ein Widerspruch nach Kündigung des Vertrages nicht in Betracht komme. Darüber hinaus sei nach § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. das Widerspruchsrecht erloschen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Stuttgart vom 13.7.2010 (Bl. 95 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Vertrag spätestens 1 Jahr nach Zahlung der ersten Jahresprämie rückwirkend wirksam geworden und das Widerspruchsrecht erloschen sei. Wegen der rechtlichen Erwägungen und der Begründung des LG im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers, mit der er den Hilfsantrag nicht mehr weiter verfolgt hatte, ha...