Leitsatz (amtlich)
1. Die Haftung für eine fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilung setzt bei einem Altanleger den Nachweis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und der Halteentscheidung voraus.
2. Die von der Rechtsprechung zur Prospekthaftung nach dem Börsengestz a.F. entwickelten Grundsätze über den Anscheinsbeweis bei Vorliegen einer Anlagestimmung können nicht auf die Halteentscheidung eines Altanlegers übertragen werden.
3. Der an der Börse ermittelte Kurswert der Mitgliedschaft eines Aktionärs ist kein absolut geschütztes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 14.09.2004; Aktenzeichen 12 O 553/03) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 14.9.2004 - Aktenzeichen: 12 O 553/03 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten des Streithelfers.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Kostenbetrags abwenden, wenn nicht die Beklagten und der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Kostenbetrags leisten.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 140.247,51 EUR.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz mit der Begründung, sie habe wegen der schuldhaft unzutreffenden Angaben in der Ad-hoc-Mitteilung der Rechtsvorgängerin der Beklagten Ziff. 1 (A. & B. AG) vom 24.8.2000, für welche die Beklagten Ziff. 2 und 3 persönlich verantwortlich seien, ihre zuvor erworbenen Aktien gehalten.
1. Die Beklagte Ziff. 1 (X. AG) ist ein im Medienbereich tätiges Unternehmen. Sie ist die Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Beklagten Ziff. 1 (A. & B. AG). Die Rechtsnachfolge trat mit Wirkung zum 19.4.2004 durch Eintragung der Verschmelzung der A. & B. AG auf die C. AG bei gleichzeitiger Umfirmierung in X. AG ein.
Der Beklagte Ziff. 2 war von 1997 bis 25.7.2001 Vorstandsvorsitzender und der Beklagte Ziff. 3 von 1997 bis 31.10.1999 Finanzvorstand sowie bis 3.12.2000 stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Rechtsvorgängerin der Beklagten Ziff. 1.
Die Klägerin erwarb im Zeitraum von 21.2.2000 bis 30.3.2000 insgesamt 1.464 Aktien der Rechtsvorgängerin der Beklagten Ziff. 1 zu einem Gesamtkaufpreis i.H.v. 140.247,51 EUR. Der durchschnittliche Erwerbsspreis pro Aktie betrug 95,80 EUR.
Im Zeitraum von 24.7.2000 bis 24.8.2000 lag der Eröffnungskurs der Aktie zwischen 52 EUR und 65,50 EUR. Am 24.8.2000 veröffentlichte die Rechtsvorgängerin der Beklagten Ziff. 1 über die Deutsche Börse und das Internet eine Ad-hoc-Mitteilung zu ihren Halbjahreszahlen 2000 mit folgenden Überschriften (Bl. 44 d.A.):
- Dynamisches Wachstum ungebrochen
- Konzernumsatz per 30.6.2000 um 195 % auf 603,9 Mio. DM gestiegen (teilkonsolidiert)
- EBITDA steigt um 65,9 % auf 236 Mio. DM
- EBIT erhöht sich um 39,8 % auf 158,9 Mio. DM
- Nettoergebnis liegt mit 110,8 Mio. DM um 132,8 % über dem Vorjahreswert
Der Eröffnungskurs der Aktie bewegte sich nach der Ad-hoc-Mitteilung vom 24.8.2000 bis zum 6.10.2000 zwischen 53,90 EUR und 66 EUR. Am 9.10.2000 veröffentlichte die Rechtsvorgängerin der Beklagten Ziff. 1 eine Ad-hoc-Mitteilung (Bl. 83 d.A.), in der sie ihre Angaben in der Ad-hoc-Mitteilung vom 24.8.2000 hinsichtlich der H. Company und der F. Gruppe korrigierte. Nach Bekanntgabe der Ad-hoc-Mitteilung vom 9.10.2000 sank der Kurs am selben Tag auf einen Schlusskurs von 39,90 EUR. Der Eröffnungskurs der Aktie bewegte sich bis zum 1.12.2000 zwischen 19,75 EUR und 45 EUR.
Am 1.12.2000 veröffentlichte die Rechtsvorgängerin der Beklagten Ziff. 1 eine Ad-hoc-Mitteilung (Bl. 85 d.A.) mit einer Gewinnwarnung. Daraufhin fiel der Eröffnungskurs der Aktie bis zum Ende des Jahres 2000 auf unter 6 EUR.
Die Klägerin hat am 2.12.2003 Klage gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten Ziff. 1 sowie die Beklagten Ziff. 2 und 3 erhoben und Schadensersatz in Höhe des ursprünglichen Kaufpreises von 140.247,51 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe der 1.464 Aktien begehrt. Sie hat behauptet, dass die Beklagten ihr zum Schadensersatz verpflichtet seien, da die veröffentlichten Halbjahreszahlen 2000 in vielfacher Hinsicht grob fehlerhaft seien und sie nur aufgrund der falschen Angaben in der Ad-hoc-Mitteilung vom 24.8.2000 ihre Aktien gehalten habe. Bei Kenntnis der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Rechtsvorgängerin der Beklagten Ziff. 1 und deren Zukunftsperspektiven hätte sie ihre Aktien, die ihr gesamtes Familienvermögen bildeten, verkauft. Gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrem Ehemann habe sie wegen der Wertverluste nach Erwerb der Aktien über einen Verkauf zur Verlustbegrenzung nachgedacht. Sie sei dann zu dem Entschluss gekommen, die Aktien zu verkaufen. Allein durch die überaus positiven Zahlen und Prognosen in der Ad-hoc-Mitteilung vom 24.8.2000 habe sie nach eingehender Beratung mit ihrem Sohn und ihrem Ehemann im Vertrauen auf die Zukunftsa...