Leitsatz (amtlich)

1. Zur Bemessung des (angemessenen und notwendigen) Selbstbehalts, wenn der Unterhaltspflichtige mit einem leistungsfähigen Dritten in nichtehelicher Partnerschaft zusammenlebt.

2. Auch ohne erhebliches Einkommensgefälle zwischen den Eltern trifft den primär Barunterhaltspflichtigen keine verschärfte Haftung nach § 1603 Abs. 2 BGB, wenn der betreuende Elternteil den Restbedarf des Kindes, für den der andere Elternteil nicht uneingeschränkt leistungsfähig ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Selbstbehaltes aufbringen kann. Der Bedarf des Kindes ist in diesem Fall nach den zusammengerechneten Einkünften beider Eltern zu bemessen.

 

Verfahrensgang

AG Geislingen (Urteil vom 17.12.2003; Aktenzeichen 1 F 432/03 (UK)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG - FamG - Geislingen vom 17.12.2003 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

Der zwischen den Parteien vor dem AG - FamG - Geislingen (...) geschlossene Vergleich vom 4.3.2002 wird für die Zeit ab 1.8.2003 dahin abgeändert, dass die Klägerin an den Beklagten für die Zeit von August 2003 bis einschl. März 2004 Unterhalt von monatlich 174 Euro und ab 1.4.2004 von monatlich 158,93 Euro, fällig monatlich im Voraus zum Dritten des jeweiligen Monats, zu zahlen hat.

II. Die Klägerin trägt 1/10 der erstinstanzlich entstandenen Kosten. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten über Kindesunterhalt für den Beklagten, Sohn der Klägerin, E., geb. 0.1.1988, der der geschiedenen Ehe der Klägerin mit dem wohl sorgeberechtigten Vater entstammt und seit Mai 2000 in dessen Obhut lebt, obwohl das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihn nach streitig geführtem Sorgerechtsverfahren im Scheidungsverbund der Mutter übertragen worden war. Das FamG hat den Ausgangstitel, einen Vergleich vom 4.3.2002 vor demselben Gericht, der seine Grundlagen nicht ausweist und worin sich die Klägerin zu monatlichen Zahlungen von 287 Euro (damals 135 % des Regelbetrags nach § 1 der RegelbetragVO abzgl. des hälftigen Kindergeldes) verpflichtet hatte, dahin abgeändert, dass ab 1.8.2003 nur noch 158,93 Euro geschuldet werden. Der Beklagte möchte mit seiner Berufung die Abweisung der Abänderungsklage erreichen und hat zugleich Widerklage erhoben mit dem Ziel, Unterhalt von 135 % des Regelbetrages abzüglich halbes Kindergeld in Abänderung des Vergleichs in dynamisierter Form zu erlangen, die Widerklage jedoch im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Die Parteien stammen aus den neuen Bundesländern, wo die Klägerin, Jahrgang 09/60, im Postsparkassendienst arbeitete. In dieser Funktion bekam und bekommt sie im Westen keinen Arbeitsplatz. Bei Abschluss des Ausgangsvergleichs stand sie nach vorangegangener Arbeitslosigkeit und kurzzeitiger Erwerbstätigkeit bei einer Leiharbeitsfirma in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei einer Fa. ULO, wo sie bei nicht ganz vollschichtiger Auslastung nach den im Vorprozess vorgelegten Belegen monatlich rund 750-800 Euro verdiente, und arbeitete in einer Nebentätigkeit als Aufsicht in einer Spielothek mit einem Zuverdienst von durchschnittlich ca. 100 Euro monatlich. Die Befristung wurde ein- bis zweimal verlängert und lief schließlich Ende Dezember 2002 endgültig aus. Nachdem ihre Erwerbsbemühungen in der Folgezeit (für die sie eine Abänderung des Vergleichs nicht verlangt) nicht von Erfolg gekrönt waren, entschloss sie sich zu einer Umschulung zur Altenpflegerin, der sie seit August 2003, dem Beginn des Abänderungszeitraumes, nachgeht. Ihre monatliche Arbeitszeit liegt im Durchschnitt über 170 Stunden. Die Nebentätigkeit hat sie aufgegeben. Von der ausbildenden Stelle bekommt sie eine Ausbildungsvergütung von brutto 665 Euro, netto 526 Euro im ersten Ausbildungsjahr, die sich im zweiten Jahr auf 700 Euro und im dritten auf 775 Euro brutto erhöht. Vom Arbeitsamt bezieht sie Unterhaltsgeld. Das Leistungsentgelt beträgt wöchentlich 279,63 Euro (monatlich rund 1.215 Euro), der Leistungssatz wöchentlich 187,32 Euro und der Betrag, mit dem ihre Ausbildungsvergütung angerechnet wird, wöchentlich 28,56 Euro, so dass sie wöchentlich 158,76 Euro, das sind monatlich rund 690 Euro, vom Arbeitsamt bezahlt erhält. Die Anrechnung beruht auf § 159 SGB III, der sicherstellt, dass die Summe aus Unterhaltsgeld und Ausbildungsvergütung (netto) nicht höher ist als das Leistungsentgelt (was bedeutet, dass jede Erhöhung der Ausbildungsvergütung zu einer entsprechenden Schmälerung des Anspruchs auf Unterhaltsgeld führen muss).

Das FamG hat, im Berufungsverfahren zunächst beiderseits unangegriffen, festgestellt, dass die Klägerin ihrer Erwerbsobliegenheit mit der Umschulung in rechter Weise nachkommt, einen Saldo aus Ausbildungsvergütung und Unterhaltsgeld einerseits, ausbildungs- und krankheitsbedingtem Mehraufwand (Eigenanteil...

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