Verfahrensgang

LG Rottweil (Urteil vom 04.04.2019; Aktenzeichen 1 O 77/18)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 04.04.2019 - 1 O 77/18 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 12.405,93 Euro

 

Gründe

A Der Kläger hat mit der AA Leasing GmbH am 12.07.2013 einen zwischenzeitlich beendeten Leasingvertrag über ein von der Beklagten hergestelltes Kraftfahrzeug abgeschlossen. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor mit der herstellereigenen Typenbezeichnung EA 189 verbaut, der die in der VO (EG) Nr. 715/2007 angeordneten Emissionsgrenzwerte bezüglich der Masse der Stickstoffoxide zwar auf dem Prüfstand unter Laborbedingungen im sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) einhält, jedoch im realen Straßenverkehr weit überschreitet, was darauf zurückzuführen ist, dass die Beklagte diesen Motor per Softwaresteuerung mit zwei Betriebsmodi versehen hat.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage auf Erstattung der geleisteten Leasingraten abgewiesen. Dem Kläger stehe dem Grunde nach kein Schadensersatz zu. Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger beantragt:

Das am 04.04.2019 verkündete und am 9. April 2019 zugestellte Urteil des Landgerichts Rottweil, Aktenzeichen 1 O 77/18, wie folgt abzuändern:

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger 14.446,73 EUR nebst weiterer Zinsen aus 19.456,80 Euro in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 01.04.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.416,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

B Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger stehen keine Ansprüche zu.

I. Zwar hat der Kläger entgegen der Auffassung des Landgerichts dem Grunde nach einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz seines Schadens gemäß § 826 BGB. Der Kläger hat jedoch keinen Schaden erlitten, da den bezahlten Leasingraten die objektiv gleichwertige Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs gegenüberstand.

1. Die Beklagte hat durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs, dessen Betriebserlaubnis im Hinblick auf die im Rahmen des EG-Typgenehmigungsverfahrens nicht offengelegte streitgegenständliche Umschaltlogik in Frage stand, sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB gehandelt. Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, das heißt über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bestimmter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist, die dem Hersteller bereits bei der Auslieferung des Fahrzeugs bekannt waren. Diese konkludente Erklärung entsprach nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Bei der im streitgegenständlichen Fahrzeug vorhandenen Einrichtung, die bei erkanntem Prüfstandlauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert, handelt es sich um eine nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässige Abschalteinrichtung (Senatsurteil vom 30. Januar 2020 - 2 U 306/19, juris Rn. 18 - 21).

2. Auch ist der Abschluss des Leasingvertrages als Schadensereignis im Sinne von § 826 BGB anzusehen. Jemand kann auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (Senat, a.a.O., juris Rn. 23). Dies trifft auch auf den Kläger zu, denn im maßgebenden Zeitpunkt des Leasingvertragsabschlusses entsprach das Fahrzeug nicht den berechtigten Erwartungen des Getäuschten, da wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung eine Betriebsstillegung drohte.

3. Die Handlung der Beklagten, nämlich das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung, ist für den eingetretenen Schaden kausal. Die mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundene konkludente Täuschung durch die Beklagte über das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung wirkte fort, weil hinsichtlich derartiger Angaben der Fahrzeughändler lediglich das durch den Hersteller vermittelte Wissen weitergibt und der Käufer ins...

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