Leitsatz (amtlich)
1. Über seinen Wortlaut hinaus ist § 5a VVG aF nicht nur dann einschlägig, wenn die Versicherungsbedingungen oder die Verbraucherinformationen bei Stellung des Antrags nicht übergeben wurden, sondern auch dann, wenn dem Versicherungsnehmer eine Rücktrittsbelehrung nach § 8 Abs. 5 VVG aF bei Antragstellung nicht zum Verbleib ausgehändigt wird.
2. Bei fondsgebundenen Lebensversicherungen werden die Angaben zum Rückkaufswert und dessen garantierter Höhe gemäß Nr. 2 b und d des Abschnitts I der Anlage D zu § 10a VAG aF durch die Angaben zu Nr. 2 e ersetzt.
Normenkette
VAG samt Anlage § 10a Fassung: 2005-09-02; VVG § 8 Abs. 5 Fassung: 2004-12-08, § 5a Fassung: 2004-12-08
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 27.07.2018; Aktenzeichen 18 O 49/18) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2018, Az. 18 O 49/18, wird
zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 27.171,28 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, einem britischen Lebensversicherer, die Rückabwicklung zweier bei deren Rechtsvorgängerin beantragter und policierter Lebensversicherungen nach Widerspruch gemäß § 5a VVG aF bzw. hilfsweise erklärtem Rücktritt gemäß § 8 Abs. 5 VVG aF.
Der Kläger beantragte jeweils am 21. Oktober 2005 den Abschluss zweier "WCL."-Policen (Anl. K1 und K4, GA I 15 ff., 26 ff.). Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger bei Antragstellung ein so genanntes Antragsgeheft erhielt, in dem neben den Policenbedingungen und der Verbraucherinformation, die der Kläger jeweils unstreitig bekam, auch ein Durchschlag des Antragsformulars und eine Musterberechnung enthalten war.
In den beiden Antragsformularen, in denen im Abschnitt "I. Erklärungen des Antragstellers" über eine Antragsbindungsfrist von 6 Wochen belehrt wird, war jeweils unter "K. Unterschriften" unmittelbar vor der Unterschriftszeile folgende fett gedruckte und vom Kläger jeweils unterschriebene Belehrung enthalten
"Antragsteller: Ich bin darüber belehrt worden, dass ich innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins, der Verbraucherinformation und Policenbedingungen von dem Vertrag zurücktreten kann. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung."
sowie die ebenfalls fett gedruckte und vom Kläger jeweils gesondert unterschriebene Passage:
"Ich erkläre hiermit, dass mir eine Ausfertigung der der [sic] Verbraucherinformation und Policenbedingungen für den Vertrag sowie eine unverbindliche Musterberechnung, die die mögliche Entwicklung des Vertrages unter Zugrundelegung verschiedener Wachstumsraten zeigt, ausgehändigt wurden."
In den Verbraucherinformationen war auf Seite 3, auf der sechs Überschriften in Frageform im Fettdruck und Antworten jeweils im Normaldruck vorhanden sind, folgende weitere Belehrung enthalten (Anl. B4, GA I 120 ff.):
"Sie können von Ihrem Vertrag ab Stellung des Antrages bis 30 Tage nach Zugang des Versicherungsscheins sowie dieser Verbraucherinformation und der nachfolgenden Policenbedingungen zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung."
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten übersandte die beiden Versicherungsscheine mit den Nr. 5120935X (Anl. K2, GA I 20 ff.) bzw. 5120936P (Anl. K5, GA I 31 ff.) mit Policenbegleitschreiben vom 2. November 2005 (Anl. K6, GA I 35 f.) und vom 12. Januar 2006 (Anl. K3, GA I 24 f.). Beide zweiseitigen Schreiben haben auf Seite 1 fünf Absätze. Im vierten Absatz, der als einziger fett gedruckt ist, heißt es jeweils:
"Nach § 5a VVG können Sie diesem Versicherungsvertrag innerhalb von 30 Tagen nach Zugang dieses Schreibens und der beigefügten Unterlagen in Textform im Sinne von § 126b BGB widersprechen (z.B. durch Brief, Fax oder E-Mail).
Versichert waren die beiden Töchter des Klägers. Vertragsbeginn war jeweils der 1. November 2005. Die Vertragslaufzeit betrug 59 bzw. 56 Jahre, die Beitragszahlungsdauer 29 bzw. 26 Jahre, der monatliche Beitrag jeweils 300 EUR, die Todesfallleistung 20.880 EUR bzw. 18.720 EUR oder 101% des Vertragswertes zuzüglich eines eventuellen Fälligkeitsbonus, je nachdem, welcher der höhere Betrag ist. Als Erlebensfallleistung war der Vertragswert am Ablaufdatum zuzüglich eines eventuellen Fälligkeitsbonus vereinbart.
Der Kläger zahlte bis einschließlich Juli 2009 regelmäßig die Prämien für beide Versicherungen in Höhe von insgesamt jeweils 13.500 EUR, die die Beklagte vereinbarungsgemäß in dem With-Profit-Fund "EPS..." investie...