Leitsatz (amtlich)
1. Eine vertragliche Vereinbarung über die Erbringung einer akustischen Fernüberwachung durch sensor-basierte Abhörtechnik mit Alarmmeldung an eine 24h-besetzte Zentralstelle des Anbieters beurteilt sich nach dienstvertraglichen Regeln.
2. Für das "Aushandeln" einer Vertragbedingung genügt es noch nicht, dass der Verwender in seinem Formular das Ankreuzen verschiedener vorgegebener Vertragslaufzeiten ermöglicht.
3. Eine Vertragslaufzeit von 72 Monaten wird sich regelmäßig als unangemessene Benachteiligung auch des unternehmerisch tätigen Kunden darstellen.
Normenkette
BGB §§ 611, 621 Nr. 3, §§ 535, 307 Abs. 1, § 305 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 22.04.2016; Aktenzeichen 24 O 492/15) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 22.4.2016, Az. 24 O 492/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil sowie das Urteil des LG Stuttgart vom 22.4.2016, Az. 24 O 492/15, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
1. Streitwert in der Berufungsinstanz: 9.174,90 EUR
Streitwert des Teilvergleichs: 238,82 EUR
Gründe
I. Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus einem Vertrag, der die Fernüberwachung der Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten zum Gegenstand hat.
Der Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnete am 2.2.2012 ein mit "Überwachungsanlagen-Mietantrag" überschriebenes, in weiten Teilen vorformuliertes Formular der Klägerin. Handschriftlich ergänzt weist das Formular u.a. die technischen, zur Fernüberwachung eingesetzten und bei der Beklagten zur Installation vorgesehenen Gegenstände, die zu entrichtenden Gebühren sowie angekreuzt eine Vertragslaufzeit von 72 Monaten aus (Anlage K 1). Ausdrücklich hingewiesen wird ferner auf die "umseitig abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen". Dem Antragsformular beigefügt war ferner ein als "Überwachungsanlagenzertifikat" überschriebenes, vorformuliertes Regelungswerk (Anlage K 3). Als "Verpflichtungen des Mieters" sind darin im Wesentlichen vorgesehen, dass der "Mieter" die notwendigen Anschlussstellen an das Stromnetz sowie an ein analoges Telefonnetz, welche für die Installation und Funktion der Überwachungsgeräte erforderlich sind, kostenlos zur Verfügung stellt; für die gesamte Vertragslaufzeit einen ordnungsgemäß funktionierenden Telefonanschluss für die Fernüberwachung auf eigene Kosten bereitstellt; den "Vermieter" über jede beabsichtigte Veränderung des Telefonanschlusses, seiner Telefonanlage oder des Telefonanbieters informiert; sämtliche Energie- und Telefonkosten, die beim Betrieb und der Überprüfung der Überwachungsgeräte anfallen, trägt und die Überwachungsanlage einschaltet, um deren Funktion sicherzustellen
Zu der zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten für den 15.2.2012 vereinbarten Installation der Geräte kam es nicht. Die Beklagte ließ der Klägerin durch Anwaltsschreiben mitteilen, dass ihrer Ansicht nach schon kein Vertrag bestehe, hilfsweise werde die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt, rein vorsorglich auch die außerordentliche sowie die ordentliche Kündigung des Vertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten für die Vergangenheit Zahlung der ihrer Ansicht nach vertraglich wirksam vereinbarten Gebühren und begehrt diese auch für die Zukunft. Die Beklagte ist der Ansicht, dass kein wirksamer Vertrag bestehe, jedenfalls aber für den Fall der Wirksamkeit dieser gekündigt worden sei.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in 1. Instanz, der dortigen Anträge sowie der Feststellungen des LG wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Der Vertrag sei zwar zunächst wirksam zustande gekommen, sodann aber durch die Beklagte auf Ende Februar 2012 gekündigt worden. Der Vertrag sei nicht als Mietvertrag, sondern als Dienstvertrag zu qualifizieren. So dienten die der Beklagten überlassenen technischen Geräte allein der Klägerin, die mit diesen ihre Überwachungsleistungen erbringe. Statt selbst die Überwachung seines Betriebes zu organisieren, bediene sich der Kunde des Angebots der Klägerin. Die Laufzeitregelung von 72 Monate hindere die Wirksamkeit der Kündigung nicht, weil diese ihrerseits einer AGB-Kontrolle wegen unangemessener Benachteiligung der Beklagten nach § 307 BGB nicht standhalte. Allein die vorgegebene Auswahl mehrerer Laufzeitregelungen mache den konkret gewählten Zeitraum nicht zu einer ausgehandelten Vertragsbedingung. Dem zwischen Unternehmern nicht anwendbaren § 309 Nr. 9a BGB komme zumindest Indizwirkung zu, dessen Höchstmaß einer zulässigen Laufzeit bei Dienstverträgen mit zwei Jahren bei weitem Überschritten sei. Zwar müsse die Klägerin mit der Anschaffung der Anlagen Investitionen treffen. Hierzu trage die Klägerin aber nicht ausreichend vor. Insbesondere lasse sich aus dem zu einem Versicherungsfall gutachterlich festgelegten Wert eine...