Leitsatz (amtlich)
Auf einen Fernüberwachungsvertrag, bei dem die beim Kunden installierten Überwachungs geräte auf eine rund um die Uhr besetzte Notruf- und Serviceleitstelle aufgeschaltet werden, sind die dienstvertraglichen Kündigungsvorschriften anwendbar.
Die Verwendung einer Laufzeitklausel von 72 Monaten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines solchen Vertrages kann auch gegenüber einem Geschäftskunden eine unangemessene Benachteiligung darstellen und nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel führen.
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Urteil vom 29.04.2016; Aktenzeichen 1 O 180/15) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Waldshut-Tiengen vom 29.04.2016, Az. 1 O 180/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Waldshut-Tiengen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn die Gegenseite nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 21.420,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlung monatlicher Gebühren aus zwei Fernüberwachungsverträgen für Vergangenheit und Zukunft in Höhe von insgesamt 21.420,00 EUR.
Die Klägerin ist ein Unternehmen der Sicherheitsbranche. Der Beklagte betreibt ein Handelsgeschäft für Quads, die er verkauft und vermietet. Die Parteien schlossen am 08.7.2015 für die beiden Geschäftsstandorte des Beklagten jeweils einen "Star-Vox-Mietvertrag mit Fernüberwachung" mit einer Laufzeit von jeweils 72 Monaten. Vertragsinhalt war die Lieferung, Installation und Instandsetzung der Geräte, eine 24-Stunden-Hotline zur Beantwortung technischer Fragen, die Bereithaltung einer permanent besetzten Notruf- und Serviceleitstelle, auf welche die installierten Überwachungsgeräte aufgeschaltet sind, die Alarmüberwachung und gegebenenfalls nach visueller Alarmvorüberprüfung die Benachrichtigung des Kunden bzw. der zuständigen öffentlichen Stellen. Die monatliche "Mietgebühr" belief sich auf 154,70 EUR brutto bzw. 142,80 EUR brutto. Hinzu kam jeweils eine einmalige Einrichtungsgebühr von 297,50 EUR brutto und eine Gebühr von 11,90 EUR brutto für jede Alarmbearbeitung (vgl. Anlagen K 1 - K 3, AS 33 ff., 87 ff.). Einen Tag nach Vertragsschluss erklärte der Beklagte unter Hinweis auf finanzielle Gründe und Standortprobleme die Kündigung der Verträge und verweigerte die Installation der Geräte.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen auf das Urteil des LG Waldshut-Tiengen vom 29.04.2016 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat der Klage lediglich in Höhe der geforderten Vergütung bis Ende Juli 2015 in Höhe von 76,77 EUR stattgegeben und die Klage im Übrigen unter Aufhebung des zuvor am 08.12.2015 erlassenen Versäumnisurteils abgewiesen. Der Beklagte habe die Verträge wirksam zum Ende des Monats Juli gekündigt. Bei den geschlossenen Verträgen handele es sich um Dienstverträge, die nach §§ 620 Abs. 2, 621 Nr. 3 BGB zum Monatsende hätten gekündigt werden können. Die in den Verträgen jeweils enthaltene Laufzeitklausel sei nach § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB unwirksam. Hinsichtlich der rechtlichen Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihre Klaganträge in vollem Umfang weiter. Nach Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den streitgegenständlichen Verträgen um Mietverträge. Es gebe im Sicherheitsgewerbe zwei unterschiedliche Fallgruppen. Im Standardfall werde eine Dauerüberwachung rund um die Uhr angeboten (24-Stunden-Voll-Fern-Überwachung). Hier stehe das mietvertragliche Element, die Zurverfügungstellung der Technik, im Hintergrund. Deshalb würden diese Verträge von den Gerichten als Dienstverträge eingestuft. Ein solcher Fall liege auch der Entscheidung des OLG München 7 U 3170/14 zu Grunde. Davon zu unterscheiden sei der vorliegende Fall, in dem die Zurverfügungstellung der Technik den Hauptteil des Vertrages ausmache. Das nachrangige dienstvertragliche Element bestehe darin, dass sich die Klägerin einzig im Alarmfall und auch dann nur für wenige Sekunden aus der Ferne auf die Anlage des Kunden aufschalte. Zudem obliege es hier allein dem Kunden, die Anlage tagtäglich ein- und abzuschalten. In vielen dieser Dauermietverträgen komme es zu keinem einzigen Alarmfall, weshalb das nachrangige dienstvertragliche Element überhaupt nicht in Erscheinung trete. Die Klägerin bezieht sich für die Richtigkeit ihrer Auffassung auf einen Beschluss des BGH vom 27.04.2016 (Az.: XII ZA 49/15, AS II 139) und auf einen Hinweisbeschluss des OLG Koblenz vom 14.09.2016 (2 U 223/16).
Bei der Laufzeitvereinbarung handelt es sich nach Auffassung der Klägerin...