Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 12.05.2010; Aktenzeichen 9 O 203/09) |
Tenor
1.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 12. Mai 2010 wie folgt
geändert:
a)
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 90.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9. Juli 2009 zu bezahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Grundstücks Gemarkung Pxxx, eingetragen im Grundbuch von Pxxx, Bl. xxxxx, Flurst.-Nr.: xxxx, xxxx.
b)
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird
zurückgewiesen.
3.
Von den Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin 12 % und die Beklagte 88 % zu tragen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 14 % und die Beklagte 86 % zu tragen.
Von den Kosten der Streithilfe haben die Beklagte 86 % und die Streithelferin 14 % zu tragen.
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Schuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5.
Die Revision gegen dieses Urteil wird für die Beklagte zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 104.355,61 €
Gründe
A.
Die Klägerin, ein Bauträgerunternehmen, verlangt mit der Klage die Rückabwicklung des am 29. Juni 2007 mit der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrages über ein in Pxxx gelegenes Grundstück mit der Begründung, entgegen der im Kaufvertrag zugesicherten Bauplatzeigenschaft sei das Grundstück nicht bebaubar.
1.
Die Beklagte war Eigentümerin des Grundstücks Flurst.-Nr.: xxx, xxxstraße xx in Pxxx. Dieses Grundstück ist in der historischen Altstadt von Pxxx gelegen. Im Süden, entlang der xxxstraße, ist es mit einem Wohnhaus bebaut. Im Norden ist das Grundstück unbebaut und grenzt es an die xxxgasse an.
Am 29. Juni 2007 schlossen die Parteien einen notariell beurkundeten Kaufvertrag. Hiernach kaufte die Beklagte von dem Grundstück xxxstraße xx eine noch wegzumessende, im Norden des Grundstücks gelegene und an die xxxgasse angrenzende Teilfläche von ca. 200 m2 zum Preis von 90.000 €. Die Zahlung des Kaufpreises sollte spätestens am 31. Juli 2007 erfolgen, und zwar auch ohne Vorliegen des Veränderungsnachweises. In Nr. 4 "Haftung für Sachmängel" bestimmten die Parteien:
"Es wird keinerlei Haftung geleistet, weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht, insbesondere nicht für den im Grundbuch eingetragenen Flächengehalt und die Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes. Bestimmte Eigenschaften werden nicht zugesichert. Der Grundbesitz wird in dem Zustand übertragen, wie ihn der Veräußerer bisher besessen hat.
Der Veräußerer versichert, dass ihm von versteckten Mängeln nichts bekannt ist.
Die Bauplatzeigenschaft wird zugesichert."
Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Anlage P 1 (Bl. 51-55) Bezug genommen. Ebenfalls am 29. Juni 2007 veräußerte die Beklagte den an die xxxstraße angrenzenden südlichen Teil des Grundstücks an die Tochter des Zeugen Vxxx. Die Klägerin bezahlte den Kaufpreis am 30. Juli 2007. Sie wurde am 2. August 2007 als Eigentümerin des Kaufgrundstücks (nunmehr Flurst.-Nr. xxx, xxxgasse) in das Grundbuch eingetragen.
Für das Gebiet zwischen der xxxstraße und der xxxgasse und damit auch für das Grundstück xxxstraße xx galt zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der Bebauungsplan xxxstraße Nord in der Fassung der zweiten Änderung vom 12. Juli 1985 (vorgelegt im Berufungsverfahren als Anl. P 15, Bl. 165-173). Am 4. Februar 1992 beschloss der Gemeinderat der Stadt Pxxx, dass für den Geltungsbereich des Bebauungsplans xxxstraße Nord ein Bebauungsplan zur 3. Änderung des Bebauungsplans aufgestellt wird (Anl. P 2, Bl. 11, 12); der Aufstellungsbeschluss wurde am 14. Februar 1992 in den Pxxx Nachrichten bekannt gegeben (Anl. P 2, Bl. 13, 14).
Vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages suchten unabhängig voneinander die Beklagte (mit ihrem Ehemann) und der Geschäftsführer der Klägerin (mit dem Zeugen Vxx) das Bauamt auf, um die Bebaubarkeit des an die xxxgasse grenzenden nördlichen Teils des Grundstücks xxxstraße xx zu klären. Hierbei wurde auf den Bebauungsplan in der Fassung der 2. Änderung verwiesen, nicht jedoch auf den Aufstellungsbeschluss vom 4. Februar 1992, welcher wohl in Vergessenheit geraten war.
Am 10. August 2007 beantragte die Klägerin beim Verbandsbauamt Pxxx den Erlass einer Baugenehmigung für eine Bebauung des erworbenen Grundstücks (Anl. B 10, Bl.72-75). Dieses Baugesuch wurde nicht gebilligt. Anlässlich der Bauvoranfrage der Klägerin beschloss der Ausschuss für Technik und Umwelt der Stadt Pxxx am 11. Dezember 2007, dass das Bauvorhaben der Klägerin zurückgestellt wird und die Verwaltung beauftragt wird, bis zur nächsten Sitzung den Aufstellungsbeschluss für eine Änderung des Bebauungsplans vorzubereiten (Anl. P 13, Bl. 86). Nach den von der Klägerin am 14. ...