Leitsatz (amtlich)
Der Insolvenzverwalter kann die Haftung der Masse für Räumungskosten dadurch vermeiden, dass er die von der Schuldnerin in die gemieteten Räume eingebrachten Sachen freigibt.
Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 31.01.2003; Aktenzeichen 2 O 125/04) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer (ER) des LG Tübingen vom 6.8.2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.802,16 EUR zzgl. Zinsen p.a. i.H.v. 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 8.950,54 EUR seit 6.5.2003, 7.6.2003, 21.6.2003 und 26.11.2003 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weiter gehende Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin werden zurückgewiesen.
III. Von den Kosten beider Instanzen trägt die Klägerin 76 %, der Beklagte 24 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet wird.
V. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert der Berufung: 148.404,29 EUR
Beschwer der Klägerin: 112.602,13 EUR
Beschwer des Beklagten: 35.802,16 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt vom Beklagten als Insolvenzverwalter nach rechtskräftigem Räumungsurteil den Ersatz der Räumungskosten sowie Nutzungsentschädigung.
Die Klägerin überließ als Eigentümerin das streitgegenständliche Grundstück im Wege des Leasings an die ..., die ihrerseits das Grundstück an die spätere Schuldnerin weitervermietete.
Ende 2001/Anfang 2002 fallierte die Schuldnerin. Der Beklagte wurde am 8.1.2002 als vorläufiger Insolvenzverwalter und mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 28.2.2002 als endgültiger Insolvenzverwalter eingesetzt.
Aufgrund Zahlungsverzuges kündigte die Klägerin der mit am 20.2.2002 zugegangenen Schreiben fristlos. Mit gleicher Post informierte sie den Beklagten über die Kündigung.
Durch rechtskräftiges Urteil des LG Tübingen vom 31.1.2003 wurde der Beklagte zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks verurteilt.
Durch Schreiben vom 16.4.2003 gab der Beklagte an die Schuldnerin die auf dem Grundstück befindlichen Gegenstände mit wenigen Ausnahmen frei und überreichte am 30.4.2003 unter Unterrichtung der Klägerin zunächst zwei Schlüssel und am 25.6.2003 die weiteren Schlüssel an die Schuldnerin.
Zu den Einzelheiten wird auf die Feststellungen im Urteil des LG verwiesen.
Das LG hat der Klage über 148.404,29 EUR (Räumungskosten 76.800 EUR + Nutzungsentschädigung 71.604,29 EUR für 3/03-10/03) hinsichtlich der Räumungskosten in voller Höhe und hinsichtlich der Nutzungsentschädigung teilweise (35.802,16 EUR für 3/03-6/03) stattgegeben. Es kommt hinsichtlich der Räumungskosten zu dem Ergebnis, dass der Beklagte angesichts seiner rechtskräftigen Verurteilung zur Räumung, die von ihm nicht erfüllt worden ist, zur Erstattung der Räumungskosten aus der Masse verpflichtet sei. Durch die Freigabe und die Gewahrsamsaufgabe nebst Schlüsselübergabe habe der Beklagte lediglich die Herausgabepflicht erfüllt, nicht aber die Räumungspflicht zum Erlöschen gebracht. Nutzungsentschädigung werde bis zur Herausgabe Ende Juni 2003 geschuldet. Für den nachfolgenden Zeitraum fehle es am Besitz des Beklagten. Wegen des fehlenden Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien greife auch der Anspruch aus § 546a BGB nicht durch.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er verfolgt mit seinem Hauptantrag das Ziel, dass die Klage abgewiesen wird. Die Klägerin hat Anschlussberufung eingelegt. Sie verfolgt das Ziel, dass der Beklagte in vollem Umfang, also auch wegen der Nutzungsentschädigung für 7/03 bis 10/03 verurteilt wird.
Der Beklagte trägt vor, Räumungskosten für die - wie hier - vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingebrachten Gegenstände und Betriebsmittel seien keine Masseverbindlichkeiten, sondern bloße Insolvenzforderungen. Daran ändere auch die rechtskräftige Verurteilung durch das LG Tübingen zur Räumung nichts. Zum einen sei die dort erkannte Räumungsverpflichtung eine reine Standardfloskel, die die Verpflichtung zur Zahlung der Räumungskosten nicht berühre. Zum zweiten sei der Räumungstitel nicht hinreichend bestimmt, weil der Umfang der Räumungsverpflichtung nicht klar hervorgehe. Zum dritten gehe der Hinweis des LG auf § 546 BGB fehl, weil dort nur die Herausgabeverpflichtung angesprochen werde. Zum vierten sei seine Räumungsverpflichtung durch die Freigabe erloschen. Statt dies im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen den Räumungstitel geltend zu machen, könne er dies auch gegen den Anspruch auf Ersatz der Räumungskosten einwenden. Im Übrigen führe das Urteil des LG zu einer ungewollten Umgehung der Rechtsprechung des BGH, weil die Klägerin über den Streit um die Herausgabeverpflichtung einen Titel über die Räumungskosten gegen die Masse erlange, während s...