Verfahrensgang
LG Ellwangen (Aktenzeichen 3 O 281/19) |
Tenor
1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 6.9.2019 (3 O 281/19) wird zurückgewiesen.
2) Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3) Das Urteil des Senats sowie das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 6.9.2019 sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4) Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 23.800,- EUR.
Gründe
I. 1. Der Kläger verlangt von der Beklagten als Herstellerin eines von ihm erworbenen Personenkraftwagens Schadensersatz, da das Fahrzeug vom sogenannten "Abgasskandal" betroffen ist.
Der Kläger hat aufgrund Kaufvertrags vom 16.6.2016 vom Autohaus Wxxx in Sxxx Gxxx einen Gebrauchtwagen Vxxx Txxx, Erstzulassung 23.4.2014, bei einem Kilometerstand von 26856 zum Kaufpreis von 23.800,- EUR (brutto) erworben (Anlage K 1, Bl. 39). Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Beklagten der Baureihe EA 189 ausgestattet und unterliegt der Schadstoffnorm Euro 5. Die Beklagte hat eine Übereinstimmung des Fahrzeugs mit einer vorliegenden EG-Typgenehmigung bestätigt.
Die Motorsteuerung des Fahrzeugs war mit einer Software ausgestattet, die erkannt hatte, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand den "Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) zur Ermittlung des Abgasausstoßes durchfahren hat. (Nur) In diesem Fall wurde die Abgasrückführung erhöht und der Schadstoffausstoß, insbesondere von Stickoxiden (NOx), vermindert ("Modus 1"). Die gesetzlichen Grenzwerte wurden in diesem Modus eingehalten. Bei "normalem Straßenbetrieb" war die erhöhte Abgasrückführung nicht aktiviert, der Schadstoffausstoß war höher ("Modus 0").
Die Beklagte hatte am 22.09.2015 eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG veröffentlicht, wonach bei weltweit rund 11 Millionen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei, sie mit Hoch
druck daran arbeite, die Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen und dazu in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) stehe.
Mit Bescheid des Kraftfahrtbundesamts vom 15.10.2015 wurde die Beklagte verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 die aus Sicht des Bundesamts vorliegenden unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen und nachzuweisen, dass nun die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Die Beklagte bot daraufhin den betroffenen Fahrzeughaltern ein kostenloses Software-Update an, mit welchem aus ihrer Sicht den Anforderungen des Kraftfahrzeugbundesamts genügt wird.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 24.4.2019 hat der Kläger gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche geltend gemacht und forderte sie auf, bis zum 9.5.2019 sich zu möglichen Vergleichsverhandlungen zu erklären (Anlage K 2, Bl. 39).
Mit seiner Klage vom 3.7.2019 hat der Kläger geltend gemacht, ihm stünden gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus §§ 311, 241 Abs. 2, 826, 31, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB bzw. Vorschriften der EG-FGV und der Richtlinie 2007/46/EG bzw. § 16 UWG, § 4 Nr. 11 UWG aF zu. Die Beklagte habe das Fahrzeug mit einer nicht erlaubten Abschalteinrichtung i. S. v. Art. 5 EG-VO 715/2007 ausgestattet. Der Vorstand und weitere Mitarbeiter der Beklagten hätten Kenntnis vom Einsatz der unzulässigen Software gehabt.
Ein so genanntes Software-Update wurde auf dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug aufgespielt.
Der Kläger hat vorgetragen, ihm sei es wesentlich auf die von der Beklagten auch besonders beworbene, tatsächlich aber nicht vorliegende Umweltfreundlichkeit des gekauften Fahrzeugs angekommen.
Die Beklagte schulde daher Schadensersatz, den der Kläger aber noch nicht beziffern könne, weswegen er primär auf Feststellung klagen müsse und dürfe, zumal auch die Höhe der Nutzungsentschädigung völlig offen sei. Nur hilfsweise hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung des Kaufpreises ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitbefangenen Fahrzeugs in Anspruch genommen.
Die Beklagte hat eingewandt, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil er das Fahrzeug zu einem Zeitpunkt erworben habe, als die Beklagte die Verwendung der vom Kläger als unzulässig bezeichneten "Umschaltlogik" der ursprünglichen Software längst öffentlich bekannt gemacht und konkrete Schritte zur Überarbeitung der Motorsteuerungssoftware eingeleitet gehabt habe. Angesichts der großflächigen und lang andauernden Medienberichterstattung müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger das Fahrzeug in Kenntnis der Tatsache, dass besagte Software installiert war, gekauft habe. Zum Erwerbszeitpunkt am 16.6.2016 habe keine Entziehung der Typengene...