Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 07.10.1992; Aktenzeichen 15 O 257/92)

 

Tenor

1. Die Berufung des Regierungspräsidiums Karlsruhe gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 07.10.1992 – 15 O 257/92 – wird

zurückgewiesen.

2. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert und (formelle) Beschwer der Berufungsführerin

DM 24.500,–

 

Gründe

– ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO

Die Berufungsführerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Die Berufung ist deshalb zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, da zum einen der Antrag des Umlegungsausschusses auf gerichtliche Entscheidung zulässig ist (I) und im übrigen das Regierungspräsidium Karlsruhe zu Unrecht den Umlegungsplan der Gemeinde Schömberg aufgehoben hat (II). Zu Recht hat das Landgericht auch für das auf den Grundstücken des Beteiligten … lastende Leitungsrecht eine Entschädigung in Höhe von DM 500,– festgesetzt.

I.

Der Antrag des Umlegungsausschusses auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 217 BauGB ist zulässig.

1. Die Zulässigkeit eines solchen Antrages des Umlegungsausschusses wurde zuletzt durch den BGH in BGHZ 113, 139, 140 f. bejaht. Dort wird die bisherige Rechtsprechung des BGH zusammengefaßt und ausgesprochen, daß ein prozessual schutzwürdiges Interesse des Umlegungsausschusses daran bestehe, seine im Widerspruchsverfahren geänderte Entscheidung im gerichtlichen Verfahren wiederherstellen zu lassen.

2. Der Antrag des Umlegungsausschusses auf gerichtliche Entscheidung ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil er verspätet eingelegt wurde.

Zwar wurde der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 10.02.1992 an das Bürgermeisteramt durch Ersatzzustellung am 13.02.1992 zugestellt und ging der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst nach Ablauf der in § 217 Abs. 2 Satz 1 BauGB genannten Frist von einem Monat am 31.03.1992 beim Regierungspräsidium ein. Dennoch ist die Antragsfrist gewahrt.

a) Der Senat neigt der Ansicht zu, daß die 1-Monats-Frist in Lauf gesetzt wurde, auch wenn die nach § 211 BauGB vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung an den Umlegungsausschuß nicht korrekt war. In der Rechtsmittelbelehrung hieß es nämlich nur unvollständig, daß die Gemeinde Schömberg den Antrag innerhalb eines Monates stellen könne. Der Hinweis, daß dieser Antrag auch vom Umlegungsausschuß gestellt werden könnte, fehlte jedoch. Der BGH (BGHZ 41, 249, 260 f und in NJW 72, 1714 zu § 23 EGGVG) hat zum gleichlautenden § 154 BBauG zu Recht angedeutet, daß der Gesetzgeber eine dem § 58 VwGO entsprechende Vorschrift, nach der eine Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen beginnt, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf ordnungsgemäß belehrt worden ist, ausdrücklich nicht ins BBauG (nunmehr ins BauGB) aufgenommen hat, obwohl dem Gesetzgeber ein Entwurf mit einer entsprechenden Regelung vorlag. Dies spricht dafür, daß der Gesetzgeber dann diese Rechtsfolge auch nicht wollte, sondern die Möglichkeiten der Rechtsschutzgewährung durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 158 BBauG (jetzt § 218 BauGB) für ausreichend hielt (ebenso Kalb in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB-Kommentar, § 217 Rdnr. 66 f und Battis-Kautzenberg-Löhr BauGB, 2. Auflage, § 211 Rdnr. 3).

b) Die Frist des § 217 Abs. 2 Satz 1 BauGB wurde aber deshalb nicht in Lauf gesetzt, weil die Zustellung an den Umlegungsausschuß nicht ordnungsgemäß erfolgte. Fehlt die formrichtige Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (z.B. in der Form der vorgeschriebenen Zustellung), wird der Verwaltungsakt nicht existent (BVerwG DÖV 1961, 182; 76, 353, 354; München BayVBl 1982, 63; Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, 7. Auflage, § 41 Rdnr. 8 f; Kopp, VwVfG, 4. Auflage, § 41 Rdnr. 6 f, 11). Ist die Zustellung an mehrere Adressaten vorgeschrieben, so wird er nur demjenigen Betroffenen gegenüber existent, an den er zugestellt wurde (Kopp, a.a.O., Rdnr. 11; Stelkens/Bonk/Leonhardt, a.a.O., Rdnr. 18 und § 43 Rdnr. 13, 15, § 43 VwVfG). Die Rechtsmittelfristen beginnen gegenüber dem betroffenen Dritten nicht zu laufen (BVerwGE 44, 294, 296; DVBl 1969, 362; DÖV 76, 353, 354; VGH Baden-Württemberg VBl BW 1985, 333). Dieser kann den nicht existenten Verwaltungsakt – ähnlich einem nichtigen Verwaltungsakt – aber gerichtlich anfechten (vergl. die vorherigen Entscheidungen und Stelkens/Bonk/Leonhardt, a.a.O., Rdnr. 8; Kopp, a.a.O., Rdnr. 11 und VGH Baden-Württemberg DVBl 1975, 552; BVerwG DVBl 1958, 208 f).

aa) Zwar ist der Bürgermeister nach § 40 Abs. 3 der baden-württembergischen Gemeindeordnung der Vorsitzende des nach § 46 Abs. 2 BauGB i.V. mit den §§ 3 ff DVO BauGB vom 25.08.1987 (GBl. S. 329) gebildeten Umlegungsausschusses. An ihn wurde auch nach § 7 Abs. 2 des baden-württembergischen Verwaltungszustellungsgesetzes vom 30.06.1958 (GBl. S. 165) gemäß den §§ 5 Abs. 2 und 11 Abs. 4 ordnungsgemäß im Wege der Ersatzzustellung durch Übergabe des Schriftstückes an den in den Geschäftsräumen angetroffenen Bediensteten...

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