Leitsatz (amtlich)

1. Zur Widerlegung des Vorsatzes bei fehlerhafter Anlageberatung durch die beratende Bank im Rahmen der Verjährung von Ansprüchen nach § 37a WpHG a.F.

2. Zur Abgrenzung des Finanzkommissionsgeschäfts von einem Eigengeschäft bei dem Erwerb von Finanzinstrumenten zu einem Festpreis.

 

Normenkette

WpHG § 37a

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 01.02.2012; Aktenzeichen 21 O 298/11)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des LG Stuttgart - Einzelrichter - vom 1.2.2012 - 21 O 298/11, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil des LG und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwertbeschluss:

Wert in beiden Instanzen: bis 8.000 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Zertifikats. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe objekt- und anlegergerecht beraten. Nach Vernehmung der Mitarbeiterin der Beklagten als Zeugin bestünden keine Zweifel an einer objektgerechten Beratung. Die schriftliche Produktinformation sei zutreffend und die Zeugin habe ausgesagt, in diesem Sinne beraten zu haben. Über ihr zufließende Rückvergütungen aus Vertriebsprovisionen habe die Beklagte nicht aufklären müssen. Bei einem im Wege des Eigengeschäfts abgeschlossenen Festpreisgeschäft bestehe keine Verpflichtung, über die eigene Gewinnmarge aufzuklären. Die Beratung sei anlegergerecht gewesen. Der Kläger habe selbst angegeben, ein höheres Risiko eingehen zu wollen. Jedenfalls seien die Schadensersatzansprüche gem. § 37a WpHG verjährt. Die Beweisaufnahme habe keinerlei Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Falschberatung ergeben.

Gegen das ihm am 6.2.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5.3.2012 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 2.5.2012 mit einer Begründung versehen. Die Berufung wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Bei der Beweiswürdigung habe das LG unterlassen, das Ergebnis der Anhörung des Klägers zu würdigen und diesen als Partei zu vernehmen. Insbesondere habe es unterlassen Tatsachen festzustellen, aus denen sich ein fehlender Vorsatz der Beklagten ergebe.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.532,05 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus jährlich seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 514,08 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus jährlich seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie verteidigt das Urteil des LG. Auf den Hinweis des Senats legte sie den - unstreitigen - Wertpapierkaufauftrag vom 19.10.2006 vor.

II. Die gem. § 511 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das LG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte ihre Verpflichtung zur anleger- und objektgerechten Beratung verletzt hat, da diesbezügliche Schadensersatzansprüche gem. §§ 37a, 43 WpHG verjährt sind und die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat.

Die Beklagte hat etwaige Aufklärungsfehler jedenfalls nicht vorsätzlich begangen. Zwar trifft nach der Rechtsprechung des BGH den Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die den Verjährungseintritt gem. § 37a WpHG a.F. begründen. Hierzu gehört auch die Behauptung, bei der Beratung nicht vorsätzlich eine Pflichtverletzung begangen zu haben, da in diesem Fall die Verjährungsvorschrift des § 37a WpHG nicht greifen würde (BGH, Urt. v. 12.5.2009 - XI ZR 586/07). Bei einfachen Aufklärungs- oder Beratungsfehlern kann bereits ohne Beweisaufnahme ein fehlender Vorsatz festgestellt werden, wenn keine Anhaltspunkte für einen Vorsatz vorliegen bzw. der Anspruchsteller Entsprechendes nicht substantiiert behauptet hat (OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.5.2011 - 17 U 82/12). Die der beratenden Bank obliegende Darlegungs- und Beweislast, sie habe nicht vorsätzlich gehandelt, betrifft eine sog. negative Tatsache. Zudem handelt es sich beim Vorsatz um eine innere Tatsache bei der Person des Handelnden, die sich nur aus äußeren Umständen rückschließen lässt. Dass eine seriöse Geschäftsbank wie die Beklagte ihre Mitarbeiter anhält, die eigenen Kunden fehlerhaft zu beraten, oder dass der Berater einen solchen Vorsatz selbst hat, kann ohne entgegenstehende Indizien regelmäßig ausgeschlossen werden. Eine Bank will im Regelfall eine Dienstleistung an ihren Kunden erbringen und mit diesem die Geschäftsbeziehung dauerhaft fortsetzen. Insofern kann unterstellt werden, dass sie selbst Interesse an einer fehlerfreien und qualitativ hochwertigen Beratung hat. Die Abwesenheit von Indizien für einen Vorsatz lässt ...

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