Leitsatz (amtlich)
Hat ein öffentlicher Auftraggeber nach Maßgabe der VOB/A eine Baumaßnahme ausgeschrieben, die unter dem Schwellenwert des § 2 Nr. 4 VgV liegt, so kann ein Bieter den Zuschlag an einen anderen Bieter nicht im Wege der einstweiligen Verfügung verbieten lassen, wenn nicht feststeht oder wenigstens glaubhaft gemacht ist, dass der öffentliche Auftraggeber vorsätzlich das Recht bricht, oder sonst in unredlicher Absicht oder willkürlich vorzugehen droht.
Normenkette
UWG § 1; BGB § 823 Abs. 2, §§ 1004, i.V.m. VOB/A; GG Art. 3
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Aktenzeichen 2 KfH O 294/01) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des LG Heilbronn vom 19.11.2001 geändert.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Gründe
I. Die Stadt B. (Antragsgegnerin) hat im Mai 2001 die Baumaßnahme „Mauerinstandsetzung B.-weg” ausgeschrieben. Es handelt sich um eine ca. 650 m lange Trockenmauer in einem Weinberg. Nach den „Bewerbungsbedingungen” der Antragsgegnerin verfährt der Auftraggeber
nach der „Verdingungsordnung für Bauleistungen”, Teil A „Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen” (VOB/A). Die VOB/A wird nicht Vertragsbestandteil – ein Rechtsanspruch des Bieters auf die Anwendung besteht nicht (d.h., es besteht kein einklagbarer Anspruch auf Auftragserteilung).
Nebenangebote waren ausdrücklich zugelassen.
Die Antragstellerin hat unter dem 20.6.2001 das günstigste Hauptangebot abgegeben (Preis: 799.816,14 DM). Die Antragsgegnerin möchte das billigere Nebenangebot der Bietergemeinschaft T. (künftig: BG) vom 13.6.2001 annehmen (Preis: 779.048,26 DM).
Die Antragstellerin ist der Ansicht, der beabsichtigte Zuschlag auf das Nebenangebot sei nach VOB/A nicht zulässig, da das Nebenangebot nicht gleichwertig sei. Die Antragsgegnerin sei nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs und nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 25 VOB/A, Art. 3 GG und § 1004 BGB analog zur Unterlassung verpflichtet.
Die 2. Kammer für Handelssachen des LG Heilbronn hat durch Beschlussverfügung vom 20.8.2001 der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln antragsgemäß verboten,
in dem von ihr durchgeführten Verfahren zur Vergabe eines Bauauftrags über das Projekt Mauerinstandsetzung B.-weg in B. Sanierungsarbeiten mit Nebenarbeiten, Einreichungstermin 21.6.2001, 10.30 Uhr den Zuschlag auf das Nebenangebot der Bietergemeinschaft T. zu erteilen,
und dieses Verbot durch das angefochtene Urteil vom 19.11.2001 bestätigt.
Mit ihrer Berufung begehrt die Antragsgegnerin die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und Abweisung des Verfügungsantrags.
Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Berufung der Antragsgegnerin hatte Erfolg.
II. Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Verfügungsantrag ist unbegründet, da der geltend gemachte Verfügungsanspruch keine Rechtsgrundlage hat. Dabei kann zugunsten der Antragstellerin unterstellt werden, dass die beabsichtigte Vergabe an die BG gegen das Regelwerk der VOB/A verstößt. Ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin aus § 1 UWG oder §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog könnte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn feststünde oder wenigstens glaubhaft gemacht wäre, dass die Antragsgegnerin bei der Vergabe vorsätzlich das Recht bricht oder sonst in unredlicher Absicht oder willkürlich vorzugehen droht. Davon kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein.
1. Ansprüche aus UWG scheiden von vornherein aus, weil es an einem Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs fehlt. Die Antragstellerin ist nicht Wettbewerber der Antragsgegnerin sondern der Bietergemeinschaft. Eine Wettbewerbshandlung der Antragsgegnerin würde daher voraussetzen, dass die Antragsgegnerin in der Absicht handelt, den Wettbewerb der BG zu Lasten der Antragstellerin zu fördern. Daran fehlt es hier. Bei Handlungen der öffentlichen Hand außerhalb eines erwerbswirtschaftlichen Tätigkeitsbereichs besteht keine Vermutung für eine Wettbewerbsförderungsabsicht, soweit sich die öffentliche Hand darauf beschränkt, die ihr im öffentlichen Interesse übertragenen Aufgaben gewissenhaft und sachlich wahrzunehmen (BGH v. 21.9.1998 – I ZR 27/88, MDR 1990, 511 = CR 1990, 334 = GRUR 1990, 463 – Firmenrufnummer). In einem solchen Fall muss das Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht gesondert festgestellt werden. Ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs kann nur dann angenommen werden, wenn die Absicht besteht, einen bestimmten Anbieter aus unsachlichen Gründen zu bevorzugen (OLG Hamm NJWE-Wettbewerbsrecht 2000, 69; Baumbach/Hefermehl, Einl. UWG Rz. 236b).
Im vorliegenden Fall liegt auf der Hand, dass die Antragsgegnerin nur deshalb und aus keinem anderen Grund die BG bevorzugen will, weil sie deren Angebot für das annehmbarste hält.
Die Antragstellerin hält das Nebenangebot der BG für qualitativ nicht gleichwertig, weil die im Amtsvorschlag vorgesehene Horizontalverankerung leistungsfähiger sei als das v...