Normenkette

BGB §§ 823, 847

 

Verfahrensgang

LG Rottweil (Aktenzeichen 2 O 156/99)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Rottweil vom 1.10.2001 – 2 O 156/99 – wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 175.000 Euro abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: 306.775,12 Euro

(Klagantrag 1 und 2 jeweils 153.387,56 Euro)

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung bei seiner Geburt.

Die am 27.1.1963 geborene Mutter des Klägers wurde 1994 zum ersten Mal schwanger. Der Geburtstermin wurde auf den 5.11.1994 errechnet. Die Schwangerschaft verlief komplikationslos.

Am 13.11.1994 kam es gegen 5.00 Uhr zu einem Blasensprung mit Abgang klaren Fruchtwassers. Die Mutter des Klägers wurde um 5.50 Uhr in der Geburtshilflichen Abteilung des Kreiskrankenhauses des Beklagten aufgenommen. Es ging klares Fruchtwasser ab, der kindliche Kopf stand schwer abschiebbar auf Beckeneingang, die Portio war noch erhalten, der Muttermund für einen Finger durchgängig. Gegen 11.15 Uhr wurde eine Oxytocininfusion angelegt, woraufhin leichte regelmäßige Wehen eintraten. Das ab 14.30 Uhr kontinuierlich geschriebene CTG war zunächst unauffällig.

Um 18.17 Uhr kam es zu einer Bradycardie von 80 Schlägen pro Minute, worauf eine intrauterine Reanimation mit Sauerstoffgabe an die Mutter, intravenöser Bolus-Tokolyse und Seitenlagerung der Gebärenden erfolgte. Die kindliche Herzaktion erreichte um 18.30 Uhr wieder 120 Schläge pro Minute, ab 18.37 Uhr wieder den Normbereich von 130 bis 160 Schlägen pro Minute. Der Kläger wurde um 18.46 nach zwei Pressversuchen, unterstützt mit leichtem Kristeller-Handgriff, geboren.

Der Kläger hatte die Nabelschnur zweimal um den Hals geschlungen. Er war schlaff, blass und ohne Atmung. Nach Absaugen durch die herbeigerufenen Kinderärzte und forcierter Markenbeatmung wurde der Kläger rasch rosig; der Puls stieg auf über 100 pro Minute. Die geburtshilflichen Unterlagen weisen einen Apgar-Score von 5/1/10 aus; in den Unterlagen der pädiatrischen Abteilung sind die Werte -/1/4 vermerkt. Da es weiterhin zu keiner Spontanatmung kam, wurde der Kläger intubiert und im Alter von ca. 20 Minuten gegen 19.06 Uhr auf die neonatologische Intensivstation des Kreiskrankenhauses des Beklagten verlegt. Dort fiel er durch einen Karpfenmund, eine massive Pfötchenstellung und schweren Ophistotonus auf. Es bestand keine Schmerzreaktion auf Stichverletzung. Der Kläger zeigte deutliche Krampfbereitschaft und war stark unruhig bei zunehmender Eigenatmung. Die erste Blutgasanalyse auf der Intensivstation um 19.48 Uhr ergab einen Kohlendioxyd-Partialdruck von 14,7 mmHG; die folgenden Blutgasanalysen ergaben um 20.20 Uhr den Wert von 18,5 mmHg, um 21.11 Uhr den Wert von 26,9 mmHg. Beim Wechsel des Tubus gegen 0.30 Uhr zeigte sich eine ausreichende Spontanatmung, so dass auf eine Neuintubation verzichtet wurde. Auch in den nachfolgenden Tagen zeigten sich immer wieder Krampfanfälle und Zyanosen; es kam zu lebensbedrohlichen Situationen. Der Kläger wurde am 21.12.1994 aus dem Kreiskrankenhaus F. entlassen.

Beim Kläger liegt eine hypoxische Hirnschädigung vor. Er ist zeitlebens schwerstpflegebedürftig und ständig auf Hilfe und Betreuung Dritter angewiesen. Er leidet unter folgenden Schädigungen: Enzephalopathie, Hirnatrophie, schwere Myelinisierungsstörung, West-Syndrom, spastische Tetraparese, Schwerstmehrfachbehinderung mit fehlender Sitz-, Geh- und Stehfähigkeit, kortikale Sehbehinderung, ausgeprägte Miktrozephalie, Minderwuchs und Dystrophie, schwerste geistige Behinderung mit fehlender Kommunikationsfähigkeit sowie Nystagmus.

Der Kläger hat vorgetragen, sowohl dem verantwortlichen Geburtshelfer als auch den verantwortlichen Kinderärzten seien grobe Behandlungsfehler vorzuwerfen. Der erstbehandelnde Kinderarzt sei zu spät hinzugezogen worden. Die postpartale Reanimation sei völlig unzureichend gewesen, es seien insb. schwerwiegende Fehler bei der Beatmung unterlaufen. Es sei postpartal zu spät und absolut unzureichend abgesaugt worden. Der seitens des Geburtshelfers unternommene Beatmungsversuch mittels Sauerstoffmaske sei völlig ungenügend gewesen. Auch die weitere Betreuung auf der neonatologischen Intensivstation habe nicht den Regeln ärztlicher Kunst entsprochen. Bei fehlerfreiem Vorgehen hätte die hypoxische Schädigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden werden können. Ein Schmerzensgeld von mindestens 300.000 DM sei angemessen. Die Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 300.000 DM, zzgl. 6,5 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit,

2. festzustellen, dass der Beklagte ver...

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