Leitsatz (amtlich)
Zur Pflicht einer Rehabilitationsklinik, beim krankengymnastischen Einsatz eines Gymnastikballs ("Pezzi-Ball") der Gefahr des Platzens des Balls durch Verwendung eines borstsicheren Modells zu begegnen.
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Urteil vom 08.12.2005; Aktenzeichen 3 O 199/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Ravensburg vom 8.12.2005 (3 O 199/04) wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.697,62 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.000 EUR seit dem 22.5.2002 und aus weiteren 10.000 EUR seit dem 7.6.2004 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren materiellen Schaden, soweit die Ansprüche der Klägerin nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind, sowie derzeit nicht vorhersehbaren künftigen immateriellen Schaden aus dem Unfall mit einem Gymnastikball vom 13.11.2001 zu ersetzen.
Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen und im Umfang der Erweiterung die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug trägt die Beklagte, diejenigen im zweiten Rechtszug tragen die Klägerin zu 2/7, die Beklagte zu 5/7.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Streitwert: im ersten Rechtszug: 24.697,62 EUR, im zweiten Rechtszug: 34.697,62 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte als Trägerin der Name der Klinik ... (Ort)... wegen einer Wirbelsäulenverletzung in Anspruch, die sie während ihres Aufenthaltes in der dortigen Abteilung für gynäkologische Rehabilitation am 13.11.2001 beim Sturz von einem geplatzten Gymnastikball erlitten hat.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das LG hat die Beklagte - entsprechend den Vorstellungen der Klägerin in erster Instanz - zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 20.000 EUR nebst Zinsen verurteilt und eine Pflicht der Beklagten festgestellt, der Klägerin allen weiteren materiellen Schaden, soweit die Ansprüche der Klägerin nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind, sowie weiteren künftig entstehenden, derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 13.11.2001 zu ersetzen. Die Klage auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten i.H.v. 697,62 EUR hat das LG abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass in ihrer Kurklinik jedenfalls bei älteren Patienten bereits seit 1999, als der später geplatzte Gymnastikball frühestens angeschafft worden sei, ausschließlich berstsichere Gymnastikbälle Verwendung finden. Solche Bälle seien bereits seit 1997 am Markt erhältlich und nur unerheblich teurer als konventionelle Gymnastikbälle gewesen. Das wirtschaftliche Interesse der Beklagten müsse hinter das Bedürfnis des Patienten, vor schwerwiegenden Verletzungen nach Stürzen geschützt zu werden, selbst dann zurücktreten, wenn das Risiko des Platzens nur gering gewesen sei. Im Jahr 2001 habe der von der Klägerin in der Kurklinik der Beklagten verwendete Ball umgerechnet 16,61 EUR gekostet, während vergleichbare Bälle in berstsicherer Ausführung je nach Hersteller für umgerechnet 17,38 EUR bzw. 16,72 EUR angeboten worden seien.
Ob eine Haftung der Beklagten darüber hinaus auch deswegen bestehe, weil die dafür zuständigen Mitarbeiter der Kurklinik die zur Durchführung von krankengymnastischen Übungen eingesetzten Gymnastikbälle nicht ausreichend auf Beschädigungen oder sonstige Verschleißerscheinungen überprüft hätten, könne daher, so das LG, offen bleiben. Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. (FH) S ... (Name) stehe nicht fest, ob eine in zumutbarem Umfang am Unfalltag erfolgte Sichtprüfung vor der Benutzung des Balles durch die Klägerin überhaupt ein Ergebnis gezeigt hätte, welches zum Aussortieren des Balles geführt hätte. Die Ursache des Platzens sei nicht festzustellen.
Das LG hat ein Schmerzensgeld i.H.v. 20.000 EUR für angemessen erachtet und bei dessen Bemessung vor allem die erhebliche Verschlechterung des körperlichen und psychischen Zustandes der Klägerin infolge des Unfalles berücksichtigt. Aufgrund der Fraktur des 12. Brustwirbelkörpers bestehe nach wie vor die Möglichkeit einer erheblichen neurologischen Verschlechterung. Derzeit sei die Kläge...