Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesellschaft bürgerlichen Rechts geschlossener Fonds Publikumsgesellschaft "Sanieren oder Ausscheiden"
Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle der Sanierungsbedürftigkeit einer Publikumspersonengesellschaft lässt sich die Zustimmungspflicht eines nicht sanierungswilligen Gesellschafters zu einem Gesellschafterbeschluss, welcher nach den Grundsätzen des Urteils des BGH vom 19.10.2009 (II ZR 240/08, NZG 2009, 1347 - "Sanieren oder Ausscheiden") gefasst wird, nicht von vornherein abstrakt mit der Begründung verneinen, dass der Gesellschafter nach seinem Ausscheiden - anders als bei sofortiger Liquidation der Gesellschaft - einer Nachhaftung ausgesetzt wäre.
Vielmehr bedarf es insoweit einer konkreten Gegenüberstellung der auf den betreffenden Gesellschafter entfallenden Beträge für den Fall der Liquidation der Gesellschaft einerseits und für den Fall der Sanierung andererseits.
2. Maßgebliche und hinreichende Beurteilungsgrundlage des Gesellschafters für die Frage einer entsprechenden Zustimmungspflicht ist sein Informationsstand über die vorgesehenen Sanierungsvereinbarungen mit Gläubigern der Gesellschaft zum Zeitpunkt des betreffenden Gesellschafterbeschlusses, ohne dass diese Vereinbarungen bereits ihren tatsächlichen Abschluss gefunden haben müssten
Normenkette
BGB §§ 705, 735, 739
Verfahrensgang
LG Rottweil (Urteil vom 20.12.2012; Aktenzeichen 3 O 151/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Rottweil vom 20.12.2012 (3 O 151/12) wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 174.240,02 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 16.10.2011 sowie weitere 2.714,03 EUR für außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 174.240,02 EUR.
Gründe
A. Mit ihrer Klage macht die Klägerin - ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - gegen den beklagten Gesellschafter einen Auseinandersetzungsfehlbetrag i.H.v. 174.240,02 EUR (zzgl. Zinsen und Rechtsverfolgungskosten) geltend.
Sie stützt sich hierbei auf einen Beschluss ihrer Gesellschafterversammlung vom 2.12.2009 (Anlage K 1; GA I 39 ff.), welcher die Sanierungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Gesellschaft feststellte und für die Gesellschafter die Alternativen "Sanieren" (unter Leistung eines anteiligen Sanierungsbeitrages) oder "Ausscheiden" (unter Bezahlung eines anteiligen Auseinandersetzungsfehlbetrages) vorsah.
Das LG hat die Klage mit Urteil vom 20.12.2012 (3 O 151/12; veröffentlicht bei juris) abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, hinsichtlich derer keine Änderungen oder Ergänzungen veranlasst waren, nimmt der Senat ebenso Bezug wie auf die rechtliche Begründung des LG.
Gegen das klagabweisende Urteil des LG richtet sich die Berufung der Klägerin, mit welcher diese ihr Klagebegehren vollumfänglich weiter verfolgt.
Die Klägerin beantragt zuletzt (GA II 399 i.V.m. GA II 347 ff.),
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des LG Rottweil vom 20.12.2012 (3 O 151/12) dazu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 174.240,02 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 16.10.2011 sowie weitere 2.714,03 EUR für außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Der Beklagte beantragt (GA II 399 i.V.m. GA II 343 und 377), die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wie auch auf die Sitzungsniederschrift vom 27.6.2013 (GA II 398 ff.) verwiesen.
B. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
I. Zu Recht greift die Berufung der Klägerin die Begründung des landgerichtlichen Urteils an, welche - entgegen der geäußerten Überzeugung des LG - von der Rechtsprechung des BGH nicht getragen wird.
1. Soweit das LG zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Beklagte aus gesellschaftlicher Treuepflicht nicht verpflichtet gewesen sei, dem Gesellschafterbeschluss vom 2.12.2009 zuzustimmen, wahrt seine Begründung hierfür die Vorgaben des Grundsatzurteils des BGH vom 19.10.2009 (II ZR 240/08, NZG 2009, 1347 - "Sanieren oder Ausscheiden") nicht.
Dessen amtlicher Leitsatz lautet wie folgt:
"Beschließen die Gesellschafter einer zahlungsunfähigen und überschuldeten Publikumspersonengesellschaft mit der im Gesellschaftsvertrag für Änderungen des Vertrags vereinbarten Mehrheit die Gesellschaft in der Weise zu sanieren, dass das Kapital "herabgesetzt" und jedem Gese...