Leitsatz (amtlich)
Eine Widerrufsinformation ist nicht deswegen in relevanter Weise unvollständig, weil sie lediglich einen Teil der Pflichtinformationen beispielhaft benennt, deren Erhalt durch den Verbraucher Voraussetzung für den Lauf der Widerrufsfrist ist.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 03.03.2016; Aktenzeichen 25 O 176/15) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 03.03.2016, Az. 25 O 176/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 56.400,00 EUR
Gründe
I.1. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines von den Klägern erklärten Widerrufs eines Immobiliar-Darlehensvertrages.
Die Parteien schlossen am 25.05.2011 einen durch eine Grundschuld gesicherten Verbraucher-Darlehensvertrag über 160.000 EUR zu einem bis zum 30.05.2021 fest vereinbarten Nominalzinssatz von 4,1 % p.a. (Anlage K1, Bl. 5). Auf das Darlehen waren monatliche Zins- und Tilgungsraten in Höhe von 680,00 EUR zu bezahlen.
Ziff. 11 des Darlehensvertrags enthält folgende Widerrufsinformation:
Mit Schreiben vom 19.05.2015 erklärten die Kläger den Widerruf des Darlehensvertrags (Anlage K2, Bl. 6).
Die Kläger monieren, dass die Widerrufsinformation nicht in der notwendigen drucktechnischen Hervorhebung in den Vertrag eingebettet sei. Nach § 495 Abs. 2 S. 1 BGB, Art. 247 § 6 Abs. 3 EGBGB müsse die Widerrufsbelehrung in hervorgehobener und deutlicher Form gestaltet sein. Die vor und nach der Widerrufsinformation abgedruckten Vertragstexte seien aber ebenfalls im Fließtext gehalten, seien teilweise in der gleichen Schriftart und ebenfalls gesondert umrahmt.
Ferner seien die notwendigen Pflichtangaben nicht abschließend, sondern nur teilweise aufgeführt, so dass es dem Darlehensnehmer selbst obliege, sich entsprechend zu informieren. Dies entspreche nicht dem von der Rechtsprechung des BGH geforderten Deutlichkeitsgebot.
Die Kläger beantragen:
Es wird festgestellt, dass der Widerruf der Kläger zum Darlehensvertrag mit der Nummer ... 209 vom 25.05.2011 über 160.000,00 EUR wirksam erklärt worden ist und sich das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat.
2. Das LG hat die aus seiner Sicht zulässige Feststellungsklage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin habe den Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen, da die Widerrufsfrist zur Zeit des Widerrufs bereits abgelaufen gewesen sei. Den Klägern seien im Rahmen der Vertragsurkunde die Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. in der vom Gesetz geforderten Art und Weise mitgeteilt worden.
Einer besonderen grafischen oder deutlichen Hervorhebung der Widerrufsinformation habe es nach Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB nicht bedurft. Nur die Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. sei davon abhängig gewesen, dass die Widerrufsinformation deutlich und hervorgehoben erteilt werde. Die für die generelle Gestaltung der Pflichtangaben einschlägigen ersten beiden Sätze von Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. stellten hingegen lediglich inhaltliche Anforderungen auf.
Die von der Beklagten verwendete Widerrufsinformation genüge den Anforderungen einer klaren und verständlichen Darstellung.
Der Fristlauf sei eindeutig ausgedrückt. Die Anknüpfung des Beginns der Widerrufsfrist beruhe auf der Bestimmung des § 495 Abs. 2 Nr. 2a BGB a.F., in der es ausdrücklich heiße, dass die Widerrufsfrist nicht "vor Vertragsschluss" beginne. In welcher Weise über diesen Teilaspekt des Beginns der Widerrufsfrist zu informieren sei bzw. informiert werden dürfe, werde durch den Wortlaut der Musterinformation nach Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB a.F. zum Ausdruck gebracht. Dort heiße es, dass die Frist "nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben (...) erhalten hat", beginne. Wenn der Gesetzgeber in seiner Musterbelehrung eine Information des Verbrauchers über einen Teilaspekt des Beginns der Widerrufsfrist in dieser abstrakten Art und Weise vorgesehen habe, könne es nicht fehlerhaft sein, dass der Unternehmer die identische Formulierung verwende.
Die Widerrufsbelehrung sei auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die Pflichtangaben nur teilweise aufgeführt würden. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Widerrufsinformation insoweit der Musterinformation nach Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB a.F. entspreche. Die Musterinformation habe Gesetzesrang. Damit habe der Gesetzgeber die Frage, ob es dem Verbraucher zuzumuten sei, zur Bestimmung des Fristlaufs den Gesetzestext selbst heranzuziehen und zu lesen, offenkundig ...