Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 06.12.2018; Aktenzeichen 7 O 203/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 06.12.2018, Az. 7 O 203/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die W. GmbH & Co. KG, A. Straße 47-49, N., 10.619,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.04.2018 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 962,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.04.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 284,65 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 12%, die Beklagte 88%. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen der Kläger 20%, die Beklagte 80%.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
I. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage wegen eines Betrages der Hauptforderung von 6.107,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.04.2018 und gegen die Abweisung der Klage auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen eines Betrages von 71,17 EUR wendet; die weitergehende Berufung ist unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig. Das gilt nicht nur insoweit, als der Kläger eigene Ansprüche - Wertminderung, Unfallpauschale - geltend macht, sondern auch insoweit, als er in eigenem Namen an die W. GmbH & Co. KG abgetretene Ansprüche - Reparaturkosten, Mietwagenkosten und, wie in der Berufungsinstanz klargestellt, Gutachterkosten - geltend macht. Es liegen die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft vor. Der Kläger hat zwar nicht vorgetragen, von der W. GmbH & Co. KG dazu ermächtigt worden zu sein, deren Ansprüche in eigenem Namen geltend zu machen. Die Erteilung der Ermächtigung ist allerdings auch stillschweigend möglich. Der Kläger hat geltend gemacht, die Ansprüche zur Sicherung der gegen ihn bestehenden Ansprüche der W. GmbH & Co. KG abgetreten zu haben. Bei einer Sicherungszession ist der Zedent aufgrund der Sicherungsabrede konkludent ermächtigt, auf Leistung an den Zessionar zu klagen. Das gilt auch nach Offenlegung der Abtretung (BGH, Urteil vom 07.02.1992 - V ZR 246/90 -, Rz. 11; Urteil vom 06.11.1980 - VII ZR 200/79 -, Rz. 14). Der Kläger hat auch ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessführung in eigenem Namen, da die Entscheidung Einfluss auf seine eigene Rechtsstellung als Schuldner der W. GmbH & Co. KG hat. Ungerechtfertigte Nachteile bei der Beklagten als Prozessgegnerin sind nicht ersichtlich.
2. Der Kläger kann Schadensersatzansprüche in Höhe von 11.582,30 EUR statt der von dem Landgericht zugesprochenen 5.474,86 EUR nebst Zinsen geltend machen; zudem steht ihm ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 284,65 EUR statt der von dem Landgericht zugesprochenen 213,48 EUR zu. Die weitergehende Klage ist dagegen unbegründet.
a) aa) Die W. GmbH & Co. KG hat aus abgetretenem Recht des Klägers gegen die Beklagte einen offenen Anspruch in Höhe von 10.619,80 EUR statt der von dem Landgericht zugesprochenen 4.642,25 EUR.
(1) Die Beklagte haftet gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3 VVG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG dem Grunde nach auf vollen Ersatz des Schadens, der dem Kläger infolge des Unfalls entstanden ist.
(a) Der Pkw des Klägers ist bei dem Betrieb des von der Beklagten haftpflichtversicherten Lkw beschädigt worden.
(b) Der Unfall ist nicht durch ein für Fahrer und Halter eines der beteiligten Fahrzeuge unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 StVG verursacht worden.
Als unabwendbar gilt ein Ereignis gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 StVG dann, wenn sowohl Fahrer als auch Halter jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet haben. Diese Sorgfalt erfordert ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus. Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich wie ein "Idealfahrer" verhalten haben. Dieses Erfordernis dient lediglich der Ausgrenzung von fremden Gefahrenkreisen, für die, wenn sie sich im Schadensereignis aktualisieren, die Gefährdungshaftung nach ihrem Sinn und Zweck nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Die Prüfung darf sich deshalb nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein "Idealfahrer" reagiert hat; vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein "Idealfahrer" überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nun...