Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 11.03.1998; Aktenzeichen 24 O 487/96)

 

Tenor

I.

Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 11.03.1998 im Kostenpunkt und insoweit (Tenor Ziff. 1)

abgeändert,

daß die Beklagte Ziff. 2 als Gesamtschuldnerin neben den bereits als Gesamtschuldnern verurteilten Beklagten Ziff. 1 und 3 dem Kläger ein Schmerzensgeld von 250.000 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 12.11.1996 zu zahlen hat.

II.

Ziff. 3 des Urteilstenors wird wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger % seines über 30.725,31 DM hinausgehenden materiellen Schadens zu ersetzen, der diesem aus dem Ereignis vom 10.11.1993 entstanden ist und noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder auf Dritte übergegangen sind.

III.

Die weitergehende Anschlußberufung des Klägers wird ebenso zurückgewiesen wie die Berufungen der Beklagten Ziff. 1–3.

IV.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 1/3 und die Beklagten Ziff. 1–3 als Gesamtschuldner 2/3.

V.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung notwendige Beträge gem. § 711 ZPO:

a)

Kläger:

20.000,00 DM

b)

Beklagte 1–3:

jeweils 350.000,00 DM

Streitwert des Berufungsverfahrens:

480.752,31 DM

(davon entfallen auf den Feststellungsantrag:

50.000,00 DM)

Beschwer des Klägers:

170.188,08 DM

Beschwer der Beklagten 1–3:

310.564,23 DM

 

Tatbestand

Der Kläger war als angelernter Flaschner für die Firma S. in … auf der Baustelle Erweiterungsbau … Schule in … mit Flaschnerarbeiten beschäftigt.

Am 10.11.1993 arbeitete der Kläger mit dem Vorarbeiter C. auf dem Dach, um Kastenrinnen in die dafür vorgesehenen Aussparungen einzulegen. Dabei stolperte der Kläger, stürzte zunächst auf die oberen Gerüststangen und von dort ca. 8 m tief auf den Erdboden. Bei diesem Sturz erlitt er eine irreparable Querschnittslähmung vom Nabel abwärts. Er ist seither gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen.

Nach dem Unfall wurde festgestellt, daß das noch vor Errichtung des obersten Stockwerks aufgestellte Gerüst nicht den Unfallverhütungvorschriften entsprach. Angesichts eines Überstands des Daches von etwa 52 cm wies das Gerüst nämlich nicht mehr die notwendige Fangbreite von mind. 90 cm, sondern nur noch von etwa 60 cm auf.

Errichtet worden war das Gerüst von der Beklagten Ziff. 2, die auch die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften übernommen hat (Ausschreibung Bl. 50 d.A.).

Der Beklagte Ziff. 3 ist Angestellter der beklagten Firma Sch. deren für den Bau zuständiger Bautechniker.

Der Beklagte Ziff. 1 war der örtliche Bauleiter.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch und verlangt Schmerzensgeld in Höhe von mind. 350.000 DM sowie Verdienstausfall und Feststellung bezüglich des materiellen Zukunftsschadens. Er hat vorgetragen, sämtliche Beteiligten hätten gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen. Die Beklagte Ziff. 2 habe im übrigen vertraglich die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften übernommen, diese jedoch nicht eingehalten.

Der Kläger hat beantragt, für Recht zu erkennen:

  1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
  2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 30.752,31 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
  3. Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus dem Ereignis vom 10.11.1993 entstanden ist und noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder auf Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten haben

Klagabweisung

beantragt.

Sie haben vorgetragen, der Unfall wäre auch bei ordnungsgemäß erstelltem Gerüst mit denselben gravierenden Folgen eingetreten, da der Kläger nach außen gefallen sei, so daß die Höhe des Gerüsts und der Abstand von der Hauswand keine Rolle gespielt habe.

Der Beklagte Ziff. 1 habe den Unfall nicht verschuldet, da er keine besonderen Überwachungs- und Verkehrssicherungspflichten habe, nachdem er mit dem Gerüstbau eine erfahrene Fachfirma beauftragt habe und eine Mangelhaftigkeit des Gerüstes nicht zu erkennen gewesen sei.

Die Beklagte Ziff. 2 hat vorgetragen, sie habe das im Leistungsverzeichnis vorgesehene Gerüst erstellt, das zunächst nur für die Zimmerarbeiten benötigt worden sei. Für die weiteren Arbeiten habe man vereinbart, daß das Gerüst erweitert werden solle, und zwar nach Abruf durch den Bauleiter. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Sie könne sich auch nach § 831 BGB entlasten. Der Beklagte D. sei ein erfahrener Facharbeiter, der in der Zeit seiner Betriebszugehörigkeit von acht Jahren keinerlei Anlaß zu Beanstandungen gegeben habe. Er sei auch regelmäßig überprüft worden.

Alle Beklagten haben den Einwand des Mitverschuldens erhoben und die...

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